Samstag, 7. Januar 2012

Das MEMORIAL Kammermusik-Ensemble aus St. Petersburg in Berlin - ein gelungenes Projekt!

Seit nunmehr 20 Jahren kommt das Ensemble zu Anfang des Jahres nach Berlin (hier die aktuellen Termine 2012), um für die Überlebenden des GULAG zu musizieren. Geboren wurde diese Idee von MEMORIAL-Mitgliedern in St. Petersburg und Berlin: Der ehemalige Vorsitzende von MEMORIAL St. Petersburg, Schnittke, begleitet die Musiker auch weiterhin während ihres Aufenthalts in Berlin und Berliner MEMORIAL-Mitglieder organisieren zusammen mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfern die Konzerte und Betreuung der Musiker. Zu ihnen gehört auch Frau Theda Werner, deren Bericht über die Konzert-Initiative wir hier veröffentlichen:


„Im Vorfeld müssen Kirchen und Gemeindehäuser gefunden werden, in denen die Musiker kostenlos auftreten können. Der Zeitpunkt der Auftritte ist nicht der günstigste, da die Wege für Musiker und Besucher bei Eis und Schnee beschwerlich sind, man sich nicht selten in schlecht geheizten Räumen trifft und manchmal sogar von unbeheizbaren Kirchen in Gemeindesäle ausweichen muss, was für den Pianisten und seinen musikalischen Vortrag eine besondere Herausforderung bedeutet. Außerdem beginnen die Berliner Winterferien Ende Januar und verhindern Interessierte, die Konzerte zu besuchen. Trotzdem findet sich immer wieder eine treue Schar an MEMORIAL-Enthousiasten ein, und es kommen noch jedes Jahr neue dazu.


Woran liegt das? Denn ein weiteres Handicap ist, dass die Musiker gegenüber einer großen Kontinuität in den ersten acht Jahren, jetzt jährlich wechseln. Früher waren ein Pianist dabei, eine Querflöte oder ein anderes Blasinstrument, eine Violine und ein Cello. Jetzt sind es Piano, Violine, Cello. Gemeinsames Üben und Transkribieren sind neben den Auftritten notwendig. Es liegt an dem Wunsch, helfen zu wollen, Informationen über Russland und die Lebenswirklichkeit der Menschen dort zu erfahren und natürlich an der Ausstrahlung der Musiker.

Wie verlaufen die Konzerte?
Die Pfarrerinnen und Pfarrer als Gastgeber heißen alle willkommen, stellen die Musiker vor und geben einen kurzen Bericht über die Arbeit der Menschenrechtsorganisation MEMORIAl.
Bei allen Konzerten wird ausdrücklich auf den Verwendungszweck der Spendengelder und
vor allem auf die Verlässlichkeit des Transfers hingewiesen, was die Spendenfreudigkeit erhöht.

Die Pausen verlaufen sehr unterschiedlich. Fragen zu den Lebensverhältnissen der GULAG-Überlebenden haben in einigen Gemeinden Priorität, hier sind Mitarbeiter von "Aktion Sühnezeichen" gerne bereit, über ihre Arbeit in St. Petersburg zu erzählen. Mit Zuwendung und Empathie pflegen diese jungen Deutschen alte Menschen, helfen im Haushalt, erledigen Einkäufe, bringen Freude in deren bescheiden, armseliges Leben. Es ist ein Geben und Nehmen, ein Austausch praktischer Hilfe in der Bewältigung des Alltags einerseits und Beschenktwerden mit Lebensweisheit, Humor, Lebensbewältigungsstrategie, gelebter Geschichte der Stalin-Ära andererseits.
Der Zuhörer ist bewegt, erfährt ein reiches Miteinander von Jung und Alt.
Lebhaft bis laut und sehr emotional spielt sich das Wiedersehen der russischen Emigranten in der Ernst Moritz Arndt-Gemeinde ab, man hat sich unendlich viel zu erzählen, der Wunsch nach Kommunikation ist nicht zu bremsen.
Der zugig-kalte Gemeindesaal in Berlin Neu-Westend ist immer gut besucht. Auch hier eine große Lebendigkeit. Die Besucher sind sozial engagierte, spendenfreudige Christen, die nicht müde werden von Herrn Schnittke über Beschränkungen, die der russische Staat seinen Bürgern zumutet, zu erfahren.

In der Grunewaldkirche beginnt der Konzertabend mit einer Andacht in der festlich
erleuchteten, warmen Kirche. Die Musiker kommen früh, um sich einspielen zu können.
Dieses Konzert liegt in der Mitte der Konzertreihe, und das ist spürbar; die Musiker sind entspannt. Die Probe wird für sie bei aller Geschäftigkeit rundherum zu einem kleinen Fest, auch durch die wunderbare Akustik und den Konzertflügel.
In der Pause dann steht man bei einem Glas Wein und Gebäck beieinander, eine freudig-dankbare Stimmung herrscht, die Anteilnahme aneinander ist zu spüren - Applaus und Spenden fließen reichlich.

In der Johanniskirche in Berlin Lichterfelde findet das Abschlusskonzert statt. Da die Pfarrerin ein großes Herz für MEMORIAL hat und viel Engagement zeigt, ist ihre Kirche besonders gut besucht und die Musiker werden mit Ovationen reichlich beschenkt.

Was lässt sich über das Interesse an der Arbeit von MEMORIAL und über die
Spendenfreudigkeit sagen?
Die Organisatoren, informieren im Vorfeld zum Beispiel in Gemeindezeitungen. In
Gesprächen mit Besuchern stellen wir einen hohen Informationsstand fest. Deshalb stehen bei Vielen die Freude an der Musik und die Wiedersehensfreude mit nun schon "alten Bekannten" im Vordergrund. Es ist wie eine kleine Gemeinde, die sich jährlich trifft.

Alle Konzertbesucher geben mit offenem Herzen. Wenn sie sich nach den Konzerten
trennen, um in der Winternacht zu verschwinden, freuen sie sich auf das nächste Jahr.
Die MEMORIAL-Konzerte haben Namen und Anliegen von MEMORIAL einem breiten
Publikum bekannt gemacht. Dafür danken wir den jungen Musikern und all jenen, die diese Auftritte möglich machen.“

Theda Werner, Berlin 2011

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen