Freitag, 24. Mai 2013

MEMORIAL vor Gericht abgewiesen

Die Eingabe der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL und des dazugehörigen Menschenrechtszentrums bezüglich des rechtswidrigen Vorgehens der Staatsanwaltschaft wurde  nach Korrespondentenmitteilung über Interfax heute durch das Moskauer Bezirksgericht abgewiesen.
Die Gesellschaft hatte die Einstellung der Überprüfung gefordert.
Das Gericht gab dem nicht statt und erklärte, dass die von der Generalstaatsanwaltschaft veranlasste Überprüfung dazu diente festzustellen, ob die Organisation die föderalen Gesetze einhalte.  

Donnerstag, 23. Mai 2013

Levada-Zentrum unter Druck


Das nach seinem Gründer, dem ersten russischen Professor der Soziologie benannte unabhängige Levada-Zentrum finanziert sich durch Forschungs- und Meinungsumfragen auf den Gebieten Soziologie, Wirtschaft, Psychologie und Marktforschung. Mit ungefähr 80 Mitarbeitern im Moskauer Büro, 80 Mitarbeitern in den regionalen Abteilungen und ca. 3000 Interviewern zählt es zu einer der größten Meinungsforschungsagenturen Russlands.
Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 20.05.2013 über gewisse Verletzungen des Föderalen Gesetzes (das sog. Agentengesetz, das Ende 2012 in Kraft trat), die nicht geduldet werden könnten, setzt das unabhängige gemeinnützige Institut erheblich unter Druck und könnte das Aus für seine regelmäßig durchgeführten Meinungsumfragen bedeuten.
In einer ersten Stellungnahme stellt Lev D. Gudkov, Direktor des Zentrums, klar, dass es hier um weit mehr als die nicht genauer definierten Begriffe der “politischen Aktivität” und “Finanzierung durch das Ausland” gehe, mit denen das Gesetz arbeite und administrativer Willkür bis hin zur Schließung der Einrichtung Tür und Tor öffne.
Es gehe vielmehr um die Freiheit wissenschaftlicher Arbeit und Publizierung der Umfragen und ihrer Ergebnisse.
Das Levada-Zentrum, das keine öffentlichen Gelder erhält,  finanziert Forschungsprojekte, insbesondere im Marketing-Bereich, ebenso wie innovative und humanitäre Projekte, führt Umfragen durch, veröffentlicht regelmäßig Jahrbücher und veranstaltet Konferenzen. Die von ausländischen Stiftungen im Ausschreibungsverfahren erhaltenen Gelder und Einnahmen für Dienstleistungen für ausländische Einrichtungen (Universitäten, Medien, Forschungs- und Consultingfirmen) machen lediglich 1,5-3%  des Jahreshaushalts aus. Der Verzicht auf diese Gelder sei keine Lösung, denn auch Einnahmen für Forschungsarbeiten, die nicht politisch ausgerichtet sind und von ausländischen Firmen, die ständig in Russland arbeiten, in Auftrag gegeben werden, können als Vorwand für eine Finanzierung durch das Ausland gelten. Dabei stehe auch das Vertrauen der Auftraggeber aus Wirtschaft und Industrie auf dem Spiel, für die die Zusammenarbeit mit einer Institution, die Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden hat, problematisch wird. Das Institut als solches sei in Gefahr.
Das Institut prüfe derzeit die Rechtslage und mögliche Reaktionen mit seinen Anwälten.

Freitag, 17. Mai 2013

Appell russischer Kulturschaffender zur Unterstützung der Zivilgesellschaft


In einem von zahlreichen russischen Kulturschaffenden unterzeichneten offenen Brief vom 17.05.2013 werden die massenhaften Untersuchungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen des Landes durch die Staatsanwaltschaft scharf verurteilt. Ziel der Aktion sei es, die Anwendung des sog. „Agentengesetzes“ voranzutreiben. Die Unterzeichneten weisen darauf hin, wie wichtig das kulturelle und gesellschaftliche Engagement dieser Organisationen sei, die zumeist ohne nennenswerte staatliche Förderung arbeiten müssen. Den Idealismus dieser Menschen als Agententätigkeit abzuwerten, sei eine unerträgliche Beleidigung, ungerecht und verlogen.
Zu den bisherigen Unterzeichnern des Briefes gehören u.a.:
Boris Akunin, Michael Aldaschin, Lea Achedschakova, Andrej Bilscho, Andrej Bitov, Vera Vasiljeva und Vladimir Viatkin, Sergej Gandlevskij, Boris Grebenschikov, Oleg Dorman, Zoe Jeroschok, Elena Kamburova, Paul Kaplevitsch, Julij Kim, Paulina Ossetinskaja, Lev Rubinstein, Dmitrij Sokolov-Mitritsch, Svetlana Sorokina, Dmitrij Spirin und Marietta Tschudakova
Der Brief liegt weiterhin zur Unterzeichnung offen.

Freitag, 10. Mai 2013

MEMORIALs Jubiläum: Chodorkovskij gratuliert zu 20 Jahren Einsatz für Menschenrechte in Russland


Sehr geehrter deutscher Zweig der Organisation Memorial,
sehr geehrter Herr von Radetzky,

vor zwanzig Jahren wurde Ihre Einrichtung gegründet, um die bedeutsame Arbeit der Organisation Memorial in Russland zu unterstützen. Seitdem widmen Sie sich der Aufgabe, die Gesellschaft über die Gewaltherrschaft und die Opfer des stalinistischen Regimes aufzuklären. Dabei fördern Sie konsequent das Wissen um die sich zuspitzende Menschenrechtslage in Russland und unterstützen in der Praxis Menschen- und Bürgerrechtsgruppen in Russland. Ihr Handeln übt direkten Einfluss auf mein Land aus und trägt zur Entwicklung einer unbedingt notwendigen Zivilgesellschaft bei. Ich möchte Ihnen zum zwanzigjährigen Bestehen und zu Ihrem Erfolg gratulieren; darüber hinaus danke ich Ihnen für den kontinuierlichen Beistand, den Sie mir in meiner persönlichen Angelegenheit leisten.

In diesen schwierigen Zeiten ist Ihre Arbeit von besonderer Bedeutung. Denn Ihre Freunde in der russischen Memorial-Organisation gehörten zu den ersten, die während der letzten Aktionen der Staatsgewalt Einschüchterungsversuchen ausgesetzt waren, mit dem Ziel, die Opposition zum Schweigen zu bringen. Durch sein Handeln bringt sich der Kreml um die Unterstützung durch die Gesellschaft und beeinträchtigt die Beziehung zu einem aktiven Teil seiner Bevölkerung. Die politisch motivierte Verfolgung von nichtstaatlichen Organisationen ist nicht zulässig. Sie schadet dem Aufleben einer Zivilgesellschaft, die für die politische, wirtschaftliche und soziale Modernisierung Russlands erforderlich ist.

In Gedanken bin ich bei Ihnen und wünsche Ihnen für Ihre zukünftigen Tätigkeiten dieselbe Kraft und Beharrlichkeit, die ich in all diesen Jahren verspürt habe. Da ich nun seit annähernd zehn Jahren im Gefängnis sitze, bedeutet mir Ihre Unterstützung unglaublich viel und ich bin sehr dankbar dafür.


Herzlichst, Ihr

Michail Borissowitsch Chodorkowski
Straflager Kolonie Nr. 7, Segescha (Republik Karelien)








S

Dienstag, 7. Mai 2013

MEMORIALs Jubiläum: Podiumsdiskussion am Freitag, dem 10. Mai

Vor 20 Jahren nahm MEMORIAL Deutschland e.V. seine Arbeit auf. Dieses Jubiläum wollen wir, die Mitglieder und Freunde des Vereines, ausgiebig feiern. Auch Sie können dabei sein. Am Freitagabend, den 10. Mai laden wir Sie herzlich ins Haus der Demokratie und Menschenrechte (Berlin) ein.
Sie erhalten die seltene Gelegenheit, mehr über die Lebensgeschichten und Arbeitsbedingungen russischer Bürgerrechtler aus erster Hand zu erfahren. Memorial-Vertreter aus Moskau, St. Petersburg und Perm werden unter anderem darauf eingehen, inwieweit sich aktuelle politische Entscheidungen (Stichwort: NGO-Gesetz) auf ihre Arbeit auswirken.
Wer will, kann im Anschluss mit uns anstoßen und das Gespräch bei Käse und Wein oder Bier und Brezen vertiefen.
Bitte melden Sie sich an, die Teilnahme ist kostenlos! Anmeldungen an: jubilaeum.memorial@gmail.com
Veranstaltungsort, -zeit:
Robert-Havemann-Saal
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin
Beginn: 19 Uhr

Donnerstag, 2. Mai 2013

MEMORIALs Menschenrechtszentrum legt Berufung ein


Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 30.04.2013 wird das Menschenrechtszentrum von MEMORIAL aufgefordert, die angeblich während der Überprüfung der Organisation offenkundig gewordenen „Verstöße gegen die föderale Gesetzgebung“ innerhalb eines Monats abzustellen. Mit anderen Worten, sich als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen.
Das Menschenrechtszentrum von MEMORIAL wird sich nicht als „ausländischer Agent“ erklären und gegen das Schreiben der Staatsanwaltschaft nach sorgfältiger Prüfung Widerspruch einlegen. 
Es sei kaum nachvollziehbar, mit welcher Begründung die Staatsanwaltschaft aus den in ihrem Schreiben aufgeführten satzungsmäßigen Aufgaben der Organisation Verstöße gegen geltende Gesetze zu erkennen meint.
Verwarnungen seitens der Staatsanwaltschaft sind bereits bei zwei weiteren MEMORIAL-Verbänden in Riasan und Komi eingegangen. Mit Hinweis auf die Aufgaben und Ziele dieser Organisationen macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass MEMORIAL-Mitglieder mit ihrer Teilnahme an öffentlichen politischen Aktionen den Protest gegen staatliche Beschlüsse unterstützt. Sie hätten damit de facto politisch Einfluss nehmen wollen. 
Eine detaillierte Stellungnahme von MEMORIAL zu den jüngsten Vorfällen finden Sie in deutscher Übersetzung von Hartmut Schröder auf http://russland.boellblog.org.