Donnerstag, 25. Juli 2013

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte zu Chodorkovskij/Lebedev: Erstes Verfahren grundlegend unfair


Am heutigen 25. Juli 2013 veröffentlichte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sein bereits lange ausstehendes Urteil zum Antrag von Michail Chodorkowski und Platon Lebedew bezüglich ihres ersten Gerichtsverfahrens, welches von 2004 bis 2005 stattgefunden hatte, sowie ihrer anschließenden Inhaftierung in Sibirien. Der EGMR fand mehrere schwere Verletzungen ihrer Grundrechte, die die Russische Föderation nun wiedergutmachen muss.
Insbesondere stellte das Gericht in Paragraph  737 fest, dass das Verfahren grundlegend unfair war und gegen Artikels 6 der Konvention verstoßen hat, insofern als die Aufnahme und Prüfung von Beweismitteln durch das Gericht unfair war und die Anwalt-Mandaten-Vertraulichkeit verletzt wurde. Das Gericht fand auch Verstöße gegen Artikel 8 der Konvention in Bezug auf die Entsendung von Chodorkowski und Lebedew nach Sibirien zur Verbüßung ihrer Strafe. Das Gericht kritisierte zudem den direkten Versuch, die Anwälte, die am Europäischen Gerichtshof an dem Fall arbeiteten, einzuschüchtern.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Navalnyj zu 5 Jahren Haft verurteilt

Die Internationale Gesellschaft MEMORIAL und das Menschenrechtszentrum von MEMORIAL bezeichneten den heutigen Urteilsspruch gegen Navalnyj und Pjotr Ofizerov als politisch motiviert, ungerechtfertigt und rechtswidrig.
Das Urteil sei ein Beispiel für den repressiven Charakter des derzeitigen russischen Regimes. Russland habe nun zwei weitere Polithäftlinge.
Der Kirover Urteilsspruch löste weltweit Empörung aus: Amnesty International bezeichnet das Urteil als politisch bedingt und fordert die sofortige Freilassung von Navalnyj und Ofizerov. Die einschlägigen Unterlagen des Verfahrens sollten im Hinblick auf ein notwendiges zweites Verfahren unabhängigen Experten zur eingehenden Prüfung zugänglich gemacht werden. Sergej Nikitin, der russische A.I.-Vorsitzende, bringt das Urteil in Verbindung mit Navalnyjs politischem Engagement und insbesondere mit dessen Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption.
Der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amts unterstreicht in seiner Erklärung, dass Navalnyjs Kandidatur als Bürgermeister von Moskau zu Fall gebracht würde, wenn das Urteil Rechtskraft erlangt.
Michail Chodorkovskij bezeichnet das Urteil als vorhersehbar und fragt sich, was die Staatsmacht eigentlich erreichen will. Die Ära des Unglaubens und der Gleichgültigkeit gehe jedoch allmählich zu Ende und jeder, der ohne Angst an Einzel-Mahnwachen teilnehme, tue etwas, um Russland im Namen des Patriotismus zu einem besseren Land zu machen.
Der populäre Oppositionelle Alexej Navalnyj und Pjotr Ofizerov wurden zu fünf und vier Jahren Haft und einer Strafe von je 500 000 Rubel verurteilt.  Navalny soll 10 000 m3 Holz  im Wert von 16 Mio Rubel unterschlagen haben.


Samstag, 13. Juli 2013

Magnitskij posthum verurteilt

Das Gericht des Moskauer Tverskoi-Bezirks hat den Juristen Sergej Magnitskij am vergangenen Donnerstag, den 11.07.2013 posthum wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Magnitskij starb 2009 in Untersuchungshaft.
Das Urteil wurde von Menschenrechtlern scharf kritisiert. Es sei rechtswidrig. Auch für Michail Fedotov, Vorsitzender des Menschenrechtsrats des Präsidenten, ist das Urteil rechtswidrig. Nach russischer Strafprozessordnung muss ein Verfahren im Todesfall des Angeklagten eingestellt werden. Amnesty International sprach von kafkaesken Zuständen. Andreas Gross, Berichterstatter der  Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der im vergangenen Juni einen ersten Bericht über den Fall Magnitskij vorlegte, gab sich überzeugt, dass Magnitskij „einem Unrecht auf die Spur kam und deshalb selber Opfer eines Unrechts wurde“. Das jetzige Urteil sei zwar zu erwarten gewesen, habe ihn aber dennoch tief enttäuscht.
Magnitskij war nach Aussage von Kollegen unmittelbar vor seiner Festnahme umfassenden Korruptionsfällen seitens hochgestellter russischer Beamter u. a. auch aus dem Innenministerium auf der Spur. Sein Tod durch Herzversagen im November 2009 in Untersuchungshaft löste international großes Echo aus. So verabschiedete der US-Kongress die sog. Magnitskij-Liste, die die Einreise der auf dieser Liste stehenden russischen Beamten beschränkt und Sanktionen vorsieht. Russland reagierte darauf mit Gegenmaßnahmen.
Ein Sprecher des russischen Außenministeriums warnte die USA am letzten Freitag vor einer weiteren Verschärfung der Liste. Moskau würde entsprechend reagieren.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Ella Pamfilova übernimmt Zuteilung staatlicher Fördermittel für russische NGO's


Die ehemalige Vorsitzende des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten war 2010 zurückgetreten. Ihr Rücktritt wurde allgemein als Zeichen des Protestes gegen die staatliche Politik und insbesondere die Erweiterung der Befugnisse des Nachrichtendienstes FSB gewertet. Ihre neue Aufgabe übernimmt Frau Pamfilova auf Vorschlag des jetzigen Vorsitzenden des Menschenrechtsrats, Michail Fedotov, und des Bevollmächtigten für Menschenrechte, Vladimir Lukin, nach einem gemeinsamen Treffen mit Präsident Putin vergangene Woche.
In einem Interview mit  Radio Svaboda äußert sich Frau Pamfilova zu dieser Aufgabe sowie zur laufenden Kampagne gegen „ausländische Agenten“ und zur Zahlung von einer Milliarde Dollar, die eine Reihe von NGO’s erhalten haben soll; diese Zahlung gilt als Auslöser für das sog „Agentengesetz“.
Die jetzige Lage sei äußerst belastend, die ohnehin nicht sehr starke Menschenrechtsbewegung schwer getroffen. Größere Organisationen arbeiteten vor allem in den Metropolen Moskau und St. Petersburg sowie in einigen weiteren Städten. Sie würden tatsächlich wesentlich aus dem Ausland finanziert, da sie weder von Seiten der russischen Geschäftswelt noch des Staates unterstützt würden. Die betroffenen Organisationen lehnten es ab, sich als ausländische Agenten registrieren zu lassen und seien bereit, auf ausländische Gelder zu verzichten. So habe man überlegt, ob und wie der Staat - unter Verzicht auf Einflussnahme - unterstützend eintreten kann. Zu diesem Ergebnis sei man nach langwierigen Gesprächen zwischen Menschenrechtsorganisationen einerseits und Fedotov und Lukin andererseits gelangt.
Was nun die Milliarde Dollar betrifft, so würde diese Frage auf Weisung des Präsidenten genauer untersucht, da offensichtlich große Verbände wie Rosatom und Rosnano ebenfalls in den Kreis derer einbezogen wurden, die Gelder aus dem Ausland erhielten.
Bezüglich ihrer jetzigen Aufgabe ist Frau Pamfilova sich bestehender Risiken bewusst, doch überzeugt, dass sie sinnvoll und zu lösen sei und die Zuteilung der Gelder (2,5 Milliarden Rubel waren bis Oktober dieses Jahres vorgesehen und sollen durch weitere 500 Millionen Rubel aufgestockt werden; in den folgenden Jahres sei ca. 1 Milliarde Rubel geplant) auch unabhängig davon erfolgen kann, wie die Staatsanwaltschaft die jeweilige Organisation einschätzt.
Mit ihrer Ernennung als unabhängige Instanz soll ausdrücklich sichergestellt werden, dass weder der Staat noch die Bürokratie diese Gelder im eigenen Interesse verteilen. In einem Vier-Augen-Gespräch mit Präsident Putin sei klar geworden, dass es darum gehen muss, diejenigen zu fördern, die tatsächlich im Interesse der Bürger Russlands tätig sind.