In einem offenen Brief vom 11.09.2013 unterstützt Chodorkovskij die Angeklagten im so genannten Bolotnaja-Prozess:
Liebe
Freunde,
ich
denke, dass ich besser als viele andere verstehe, was ihr gerade empfindet,
nachdem ich unserem skrupellosen und unbarmherzigen „Rechts- und Vollzugssystem“
gegenüberstand.
Jeder
von uns hat Detektivgeschichten gelesen und hat Fernsehserien angeschaut, in
denen sich das Recht sogar gegen die größten Gesetzesbrecher
durchsetzt.
Ich
erinnere mich an das, was mich am meisten entsetzte: dass von Anfang an die
Person, die vorgab ein Richter zu sein, mich als eine niedrigere Lebensform
erachtete, etwa wie ein Leibeigener oder römischer Sklave, wobei der „Herr“ in
Uniform überhaupt nichts beweisen musste: seine Worte wurden für bare Münze
genommen, während meinen nur mit Verachtung zugehört wurde und ohne jede
Absicht, sie zu berücksichtigen.
Ich
rede noch nicht einmal über solche komplexe Grundsätze wie die
Unschuldsvermutung oder Sachen im Zweifel für den Angeklagten auszulegen usw.
„Sie“ könnten sich kaum weniger um das Recht scheren.
Jedoch
ist man am Anfang verletzt über die Weigerung, dich als menschliches Wesen
anzusehen, als einen Gleichen, der die Wahrheit erzählt, einfach weil es das
Richtige ist.
Ihr
müsst das durchstehen, aufhören euch davon aus der Fassung bringen zu lassen und
dabei verstehen, dass wir es hier nicht mit Gerechtigkeit zu tun haben, sondern
mit einer repressiven Maschine, der wir als Rohstoff zugefüttert werden. Der
Bediener der Maschine taucht nicht im Saal auf, aber wir alle wissen, wer er
ist.
Wir
können und müssen den Menschen, dem Land zeigen, dass die Maschine keine Würde
hat, aber wir schon. Dann wird eher früher als später (aber wahrscheinlich schon
ziemlich bald) die Maschine auseinandergenommen werden – falls sie denn aus
irgendetwas anderem Nützlichen als Gebäuden besteht.
Und
ihr werdet siegen und eure Eltern und Freunde und später eure Kinder und Enkel
werden stolz auf euch sein.
Mit
sehr herzlichen Grüßen,
Michail
Chodorkowskij
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