Donnerstag, 28. November 2013

Jugendorganisation von MEMORIAL Perm gewinnt Prozess

Gericht gibt der Klage der Jugendorganisation von MEMORIAL Perm statt


Am 27. November hat ein Bezirksgericht in Perm nun auch der Klage der Jugendorganisation MEMORIAL gegen die Staatsanwaltschaft stattgegeben. Sie hatte gegen die Aufforderung geklagt, sich als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen, die sie am 29. April erhalten hatte.

In Perm hatten insgesamt vier NGOs diese Aufforderung erhalten – die Bürgerkammer, das Permer regionale Menschenrechtszentrum, das Zentrum „Grani“ und die Jugendorganisation Memorial.

Im Mai hatten diese NGOs öffentlich erklärt, diese Auflage auf keinen Fall zu erfüllen, da sie niemandes „Agenten seien, schon gar keine ausländischen“ und sich in keiner Weise gegen Russland instrumentalisieren ließen. Das Etikett „ausländischer Agent“ sie für sie „beleidigend und unwahr“.

Offenbar hatte die Staatsanwaltschaft den Auftrag, an den einflussreichsten NGOs in Perm ein Exempel zu statuieren, stellte Sergej Trutnev vom Permer Menschenrechtszentrum fest, der die Interessen von Memorial vor Gericht vertrat. Danach seien alle möglichen Erfindungen über ausländische Stiftungen in die Welt gesetzt worden, die angeblich eine russlandfeindliche Agitation betreiben und die Jugendorganisation Memorial unterstützen. Vor Gericht konnten derartige Unterstellungen indes in keiner Weise belegt werden.

Damit sind jetzt nach einem sechsmonatigen Rechtsstreit alle vier Permer NGOs rehabilitiert – in allen Fällen wurde die Aufforderung für ungesetzlich erklärt.


Quellen: http://www.hro.org/node/18148
http://www.grany-center.org/we/actions/news/details_864.html
http://russland-geschichte-gegenwart.blogspot.de/2013/05/erklarung-der-burgerorganisationen-von.html#more

Montag, 25. November 2013

"Zivilklagen" gegen NGOs: ADZ und "Don-Frauen"


Verhandlungen in Petersburg und Novotscherkassk

Am 25. November wurde die gerichtliche Auseinandersetzung um die „Zivilklage“ gegen das Antidiskriminierungszentrum (ADZ) Memorial Petersburg fortgesetzt. Zu einer Entscheidung kam es noch nicht, die Verhandlung wurde auf den 12. Dezember vertagt.

Die Staatsanwaltschaft präzisierte die „Zivilklage“ dahingehend, dass sie das Gericht aufforderte, das Zentrum für eine nichtkommerzielle Organisation zu erklären, „die die Funktion eines ausländischen Agenten ausübt“. Bisher war es darum gegangen, dass sich die Organisationen selbst als solche definieren und registrieren lassen sollten.

Von Seiten des Staatsanwalts wurde ein weiteres Gutachten vorgelegt, diesmal von zwei Juristen (ebenfalls vom Herzen-Institut, wie auch der zuvor bestellte Gutachter), das wiederum die Frage untersuchen sollte, ob der Rechenschaftsbericht des Zentrums an die UNO als „politische Tätigkeit“ zu bewerten sei. Dieses Gutachten hält fest, dass es keine gesetzlich festgeschrieben Definition für „politische Tätigkeit“ gebe und man sich daher an einem „analogen Gesetz“ orientieren müsse, und zwar am Parteiengesetz. Den Bestimmungen in diesem Gesetz zufolge sei der UNO-Bericht als „politische Tätigkeit“ zu betrachten.

Das ADZ brachte etliche Gegenargumente vor, nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der Bericht an die Uno vor dem 9. November 2012 und damit eindeutig vor Inkrafttreten des „Agentengesetzes“ am 21. November erstellt wurde.

Ein ähnliches Verfahren – ebenfalls eine „Zivilklage“ – wurde am 25. November in Novotscherkassk verhandelt. Hier ging es um die Vereinigung der „Don-Frauen“, einer Friedens- und Menschenrechtsorganisation im Gebiet Rostow, die sich u. a. mit der Situation im Kaukasus und mit Frauenrechten befasst.

Der von den Don-Frauen pflichtgemäß veröffentlichte finanzielle Rechenschaftsbericht war als „politische Tätigkeit“ bewertet worden. Demnach ist die Organisation in der Lesart des Gesetzes ein "ausländischer Agent". Auch dieses Verfahren wurde nach längeren Debatten über verschiedene Gutachten und die Kompetenzen der jeweiligen Gutachter auf den 4. Dezember vertagt.


Freitag, 22. November 2013

Gerichtsentscheidungen in Jekaterinburg und Moskau



Am 20. November 2013 hat ein russisches Gericht erneut die Aufforderung an eine NGO, sich als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen, für ungesetzlich erklärt. Das Bezirksgericht in Jekaterinburg gab mit dieser Entscheidung dem „Zentrum für Information und Recht“, dem MEMORIAL-Zweig in Jekaterinburg, Recht und wies die Staatsanwaltschaft des Gebiets Sverdlovsk an, die entsprechende Aufforderung zurückzuziehen.

Als Beleg für die „politische Tätigkeit“ der Organisation hatte die Staatsanwaltschaft eine Diskussionsveranstaltung aufgeführt, die knapp zwei Monate vor Inkrafttreten des „Agentengesetzes“ stattgefunden und die Verteidigung der Rechte von Rekruten und Soldaten zum Thema hatte.

Am gleichen Tag wies das Moskauer Stadtgericht die Klagen zweier MEMORIAL-Verbände zurück. Das Menschenrechtszentrum MEMORIAL sowie die Internationale Gesellschaft MEMORIAL hatten gegen die umfassenden und überfallartigen staatsanwaltlichen Überprüfungen im Frühjahr geklagt. Das Gericht bestätigte damit die Entscheidung der ersten Instanz.

MEMORIAL hatte die Klage mit einer Reihe von Argumenten untermauert. So habe es die Staatsanwaltschaft versäumt, bei den Überprüfungen anzugeben, auf welcher Rechtsgrundlage diese erfolgte und was und in welchem Umfang geprüft werden sollte (etwa ob eine Anzeige oder der Verdacht vorlag, dass die jeweilige Organisation ein bestimmtes konkrete Gesetz verletzt hat). Darüber hinaus sei es unzulässig, dass Außenstehende an der Überprüfung teilnähmen (etwa, wie geschehen, Vertreter der Steuerbehörde oder der Fernsehkanal NTW).

Nach Auffassung von Kirill Koroteev, dem Rechtsvertreter von MEMORIAL, hat das Moskauer Gericht das „Gesetz über die Staatsanwaltschaft“ besonders weit ausgelegt, um zugunsten der Staatsanwälte entscheiden zu können. Die Urteilsbegründung wird in etwa drei Wochen vorliegen.


 

Russland und der EGMR

Ein russischer Menschenrechtsanwalt berichtet. Vortrag von Dr. Kirill Koroteev


Dr. Kirill Koroteev ist Menschenrechtsanwalt in Moskau. Er hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Fälle gegen Russland vertreten und vertritt gegenwärtig die NGO Memorial vor russischen Gerichten und vor dem EGMR im Verfahren über die Anwendung des "Agentengesetzes", das in Russland und im Ausland heftig kritisiert wurde.

Er berichtet über seine laufenden Verfahren, insbesondere zum NGO-Gesetz und zum Alltag als Rechtsanwalt vor russischen Gerichten, und diskutiert den Einfluss des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf das russische Rechtssystem.

Koroteev studierte von 2000 - 2005 an der Moskauer Higher School of Economics und anschließend an der Universität Paris Pantheon Sorbonne. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Paris X. Seither ist er in Russland als Anwalt tätig. Er ist Autor von zahlreichen Artikeln zum europäischen und russischen Menschenrechtsschutz.

Sprache: Englisch

Veranstalter:

Anastasia Berger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Rechtswissenschaftliche Fakultät, LMU München

Prof. Dr. Caroline von Gall, Institut für Ostrecht der Universität zu Köln

MEMORIAL Deutschland

Zeit: Mittwoch, den 27.11.2013, 18.30 Uhr
Ort: LMU München, Geschwister-Scholl-Platz 1 (B), Raum B 015

Montag, 18. November 2013

Menschenrechtszentrum MEMORIAL: Gerichtsverhandlung auf den 4. Februar 2014 vertagt


Moskauer Gericht wartet Entscheidungen höherer Instanzen ab


Das Menschenrechtszentrum von MEMORIAL hatte nach den umfangreichen staatsanwaltlichen Überprüfungen im Frühjahr die Aufforderung erhalten, sich als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen, wie es das vor fast einem Jahr in Kraft getretene „Agentengesetz“ für NGOs, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten und "politisch" tätig sind, vorschreibt.

MEMORIAL hatte gegen diesen Bescheid geklagt. Die Verhandlung dieser Klage war bereits mehrfach vertagt worden. Auf der nunmehr für den 18. November anberaumten Sitzung beantragte der Anwalt von MEMORIAL Furkat Tischaev, eine Entscheidung auszusetzen, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die kollektive Klage mehrerer NGOs gegen das „Agentengesetz“ behandelt hat. Einige weitere Organisationen sowie der Menschenrechtsbeauftragte Vladimir Lukin hatten außerdem beim Verfassungsgericht der Russischen Föderation Klage gegen das Gesetz eingereicht.

Das Gericht folgte Furkat Tischaevs Antrag und vertagte die Verhandlung auf den 4. Februar. Die Entscheidungen von Verfassungsgericht und EGMR sollen erst abgewartet werden, da andernfalls die Entscheidung eines nationalen Gerichts auf Grund geänderter Umstände neu verhandelt werden müsste.

Die weiteren anstehenden Verfahren – betroffen waren u. a. die Assoziation „Golos“ (deren Tätigkeit bereits ausgesetzt wurde) und die Stiftung „Gesellschaftliches Verdikt“ – wurden ebenfalls mit derselben Begründung vertagt.