Dienstag, 21. Januar 2014

Im Handstreich repressives Gesetzespaket verabschiedet


"Agentengesetz" jetzt auch in der Ukraine


In aller Eile wurde in der Ukraine eine Serie von Gesetzen verabschiedet, die die demokratischen Freiheiten massiv beschneiden. Dazu gehört auch ein NGO-Gesetz, das sich am russischen Vorbild - dem so genannten "Agentengesetz" - orientiert. Wir dokumentieren leicht gekürzt eine Erklärung von ukrainischen Bürgerrechtlern, die von weit über 300 Menschenrechtsorganisationen und Privatpersonen unterzeichnet wurde. Auf der Website der ukrainischen Helsinki-Gruppe werden weitere Unterschriften gesammelt.

Das am 16. Januar durch Abstimmung gebilligte und unterschriebene Gesetz der Ukraine Nr. 3879 bedeutet eines: Für die Ukraine bricht eine Epoche der Reaktion und des Obskurantismus an.

Dieses Gesetz wurde unter Verletzung aller vorgeschriebenen Prozeduren verabschiedet – sowohl der Vorbereitung und fachlichen Bewertung als auch der Behandlung im legislativen Organ des Landes. Es verletzt fundamentale Freiheiten: Gewissens-, Meinungs-, Informations-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit, sowie das Recht auf Eigentum und auf Privatleben. Es verstößt gegen die entsprechenden Verfassungsnormen und Artikel des Internationalen UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte und die Konvention über Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Artikel 22 der ukrainischen Verfassung.

Insbesondere „bereichert“ das Gesetz das derzeitige juristische Vokabular um einen neuen Terminus, den „ausländischen Agenten“. Unter diese Kategorie fallen jene gesellschaftlichen Vereinigungen, „die Finanzmittel oder anderes Vermögen aus ausländischen Quellen erhalten…, und die sich auf ukrainischem Territorium politisch betätigen.“

Eine einfache linguistische und juristische Analyse des letzten Satzes, worin sich der rechtliche Inhalt des Begriffs „ausländischer Agent“ enthüllt, gibt Grund zur Annahme, dass von nun an jede gesellschaftliche Organisation, die von einer beliebigen ausländischen Stiftung, Botschaft, Organisation oder Person finanziell gefördert wird, diesen neuen Status bekommt.

Das Gesetz verlangt von einer gesellschaftlichen Organisation, sich unter diesem neuen Status zu registrieren, und droht für den Unterlassungsfall mit Sanktionen. Dieses Gesetz verletzt das wichtigste Element der verfassungsmäßigen Rechtsordnung – das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit - und die verfassungsmäßigen Rechte der Ukrainer sowie von in der Ukraine lebenden Personen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft.

Der Terminus „ausländischer Agent“ versieht eine Person mit einem Makel, als ginge von ihr eine Gefahr aus. Sie wird damit einem aggressiven sozialen Scherbengericht ausgesetzt, ihr drohen Vertreibung und Vernichtung.

Sehen wir der Wahrheit ins Auge – es bedeutet, dass die herrschende Koalition der Zivilgesellschaft den Krieg erklärt hat. Wir haben jedoch nicht vor, in diesem Krieg, der uns erklärt wurde, zu kapitulieren.

Wir werden uns niemals damit abfinden, dass uns die Machtorgane in ein soziales Ghetto treiben und das Etikett eines „ausländischen Agenten“ anheften (…). Den Status eines „ausländischen Agenten“ zu akzeptieren hieße, das Andenken unserer großen Vorgänger zu beleidigen (…) die im Kampf für die Menschenrechte in der Ukraine ihr Leben gelassen haben.

Die hinter diesen obskurantistischen Maßnahmen der herrschenden Koalition stehenden Beweggründe sind klar. Diese Koalition ist angesichts der massiven sozialen Proteste in panischer Angst, sie will um jeden Preis ihre Privilegien im System erhalten, das in den letzten drei Jahren einer neofeudalen Machtstruktur und in Folge der Umverteilung von Eigentum entstanden ist.

Es geht in diesem ganzen unklugen und unsauberen Spiel der herrschenden Koalition nur um eines: – die Wahlen 2015 zu gewinnen. Deshalb hat diese Koalition schon jetzt fürden Kampf mit dem Majdan kriminelle Kräfte mobilisiert und ruft Organisationen unter ihre Fahnen, die die Ideologie von Schwarzhundertern vertreten und Pogrome provozieren. (…).

Die Gesellschaft wird daher zu neuen Formen gewaltlosen Widerstandes greifen.


Nikolaj Kosyrev (Ukrainische Helsinki-Gruppe)
Arkadij Burtschenko (Ukrainische Helsinki-Gruppe)
Jevgenij Sacharov (Menschenrechtsgruppe Charkov - MEMORIAL)

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