Dienstag, 29. Juli 2014

Stiftung Aufarbeitung protestiert gegen Zerstörung der Gedenkstätte "Perm-36"

Mit einem Brief an den Präsidenten der Russischen Föderation sowie an dern Gouverneur der Region Perm hat sich die Bundesstiftung für Aufarbeitung der SED-Diktatur gegen die drohende Zerstörung der Gedenkstätte "Perm-36" gewandt. Sie unterstützt ausdrücklich die Petition von MEMORIAL Perm zugunsten der Gedenkstätte, die bereits über 62.000 Personen unterschrieben haben:

"Mit Sorge und Empörung verfolgen wir die Nachrichten zum Umgang mit der einzigen Gulag-Gedenkstätte in der Russischen Föderation, dem Museum zur Geschichte der politischen Repression in Perm 36 und deren Leitung und Mitarbeitern. Perm 36 ist in den vergangenen Jahren nicht nur für jene, die während der stalinistischen Repressionen verfolgt wurden und zu Tode kamen, sondern auch für deren Familien und Freunde, zu einem Gedenkort geworden, an dem an die Millionen unschuldiger Opfer erinnert wurde.

Dieser Gedenkort und das Museum waren in Russland aber auch weltweit ein Symbol dafür, dass in Russland ein differenziertes Gedenken an die dunkelste Zeit der sowjetischen Geschichte möglich ist. Dass dieser einzigartige Ort bestanden hat, war Tausenden von Aktivisten und Freiwilligen zu verdanken. Die Existenz dieses Ortes war international ein Symbol dafür, dass die Russische Föderation eine zivilgesellschaftlich getragene Erinnerung ohne staatliche Repression ermöglicht und die russische Führung die Aufarbeitung der totalitären Vergangenheit unterstützt und nicht be- und verhindert.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Gouverneur, sehr geehrte Frau Pamfilova, sehr geehrter Herr Fedotov,

wir schließen uns den Forderungen der Petition nachdrücklich an und fordern Sie auf, die Maßnahmen gegen die Gedenkstätte zur Geschichte politischer Repressionen "Perm-36" rückgängig zu machen und die unabhängige und kritische Auseinandersetzung mit der totalitären Vergangenheit wieder zu ermöglichen und die verdiente Direktorin des Museums, Tatjana Kursina,  wieder als Direktorin des Museums einzusetzen."

Das vollständige Schreiben (in russischer Sprache) finden Sie hier.

Freitag, 25. Juli 2014

Hoffnungen für "Perm-36" schwinden

Arbeiter vernichten Exponate auf dem Gelände der Gedenkstätte

Kürzlich hatte ein Treffen des Gouverneurs von Perm, Viktor Basargin, mit Vertretern von MEMORIAL und der regionalen Menschenrechtsbeauftragten Hoffnungen geweckt, dass der lang andauernde Konflikt um die Zukunft der Gedenkstätte "Perm-36" beigelegt werden könnte. Inzwischen scheint sich dies immer mehr als illusorisch zu erweisen.

Wenige Tage nach dieser Begegnung haben Arbeiter auf dem Gelände ein dort befindliches ehemaliges Lagertor zersägt. Nach ihrem Bekunden geschah dies auf Anweisung der neuen Direktorin Natalja Semakova, das Terrain zu bereinigen.


Tatjana Kursina, die langjährige und vor kurzem abgesetzte Direktorin von "Perm-36", wies in ihrem Protest nachdrücklich darauf hin, dass Mitarbeiter der Gedenkstätte jederzeit für Fragen zur Verfügung stünden und Auskunft geben könnten, welchen Gegenständen auf dem Gelände historische Bedeutung zukomme und welche entfernt werden könnten.


 

Viktor Schmyrov, der Leiter der Gedenkstätte, sowie die regionale Menschenrechtsbeauftragte, Tatjana Margolina, appellierten an den Gouverneur , das historische Erbe auf dem Territorium der Kolonie für politische Gefangene des Lagers "Perm-36" zu bewahren und dafür zu sorgen, dass beschädigte Objekte wieder hergestellt würden. Margolina rief dazu auf, die Verhandlungen zwischen Regionalregierung und der Gedenkstätte "Perm-36", die kurz vor dem Abschluss gestanden hatten, zu Ende zu führen und die geplante Vereinbarung zu unterzeichnen.

Die Reaktion ist bisher wenig ermutigend. Die Administration der Regionalregierung und des Kulturministeriums verwahrte sich gegen angeblichen Druck, Unterstellungen und Verleumdungen durch russische und internationale Medien. Insbesondere die Menschenrechtsbeauftragte wird beschuldigt, sie leiste, anstatt zu vermitteln, Lobbyarbeit für eine Nichtregierungsorganisation, nämlich "Perm-36", deren Vorstand sie viele Jahre angehört habe. Die Erklärung schließt mit der Aussage, man sei "zu einem offenen konstruktiven Dialog und zu Zusammenarbeit mit allen Seiten" bereit, jedoch nicht gewillt, "Erpressungen und Drohungen" hinzunehmen. Das Recht auf Gegenmaßnahmen behalte man sich vor.

Tatjana Margolina bedauerte diese Eskalation des Konflikts. Ihr scheinen gerade die Kombination und Kooperation zweier Museen - einer staatlichen Institution, wie sie seit Jahresbeginn besteht, und einer nichtstaatlichen, aus zivilgesellschaftlichem Engagement entstandenen Einrichtung ("Perm-36") - nach wie vor äußerst wichtig, um die historische Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen im 20. Jahrhundert zu bewahren.

Menschenrechtszentrum MEMORIAL ins Register "ausländischer Agenten" eingetragen

Erklärung der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

Am 21. Juli 2014 hat das russische Justizministerium fünf weitere Menschenrechtsorganisationen in das „Register nichtkommerzieller Organisationen, die die Funktion eines ausländischen Agenten ausüben“, eingetragen. Darunter ist auch das Menschenrechtszentrum „Memorial“, der einschlägige Memorial-Verband für Menschenrechtsarbeit.

Wir sind davon überzeugt, dass diese Organisationen, wie auch alle anderen, die zuvor gegen ihren Willen in dieses Verzeichnis eingetragen wurden, ausschließlich im Interesse Russlands arbeiten. Sie leisten effiziente Hilfe beim Schutz von Bürgerrechten gegen staatliche Übergriffe. Ihre zwangsweise Aufnahme in das Register „ausländischer Agenten“ ist der Versuch, diese Tätigkeit zu behindern.

Statt die Verletzung von Bürgerrechten zu bekämpfen führt der Staat Krieg gegen jene, die diese Verletzungen bekannt machen.

Eine derartige Praxis (sowie überhaupt der verwendete Begriff „ausländischer Agent“) war bereits zu sowjetischen Zeiten übliche Praxis und hat zu nichts Gutem geführt.

Die derzeitigen Bestimmungen über „ausländische Agenten“, die im Schnellverfahren verabschiedet wurden, sind nicht dafür gedacht, tatsächlich bestehende Probleme des Landes zu lösen. Sie dienen einzig und allein dazu, die Zivilgesellschaft in Russland zu schwächen.
Wir können nur wiederholen, was wir seit zwei Jahren sagen, seit dem Zeitpunkt, zu dem das „Agentengesetz“ in der Duma eingebracht wurde: Dieses Gesetz gereicht Russland zur Schande. Hier ist keine Verbesserung oder Korrektur möglich. Es muss aufgehoben werden.

Der Vorstand der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

Justizministerium verzeichnet fünf weitere NGOs als "ausländische Agenten"

Antidiskriminierungszentrum (ADZ) Memorial klagt beim Europäischen Gericht

Inzwischen hat das Justizministerium das Verzeichnis „ausländischer Agenten“, in die es kürzlich fünf Nichtregierungsorganisationen eingetragen hatte, um fünf weitere NGOs ergänzt. Nach einer kürzlichen Gesetzesänderung ist das Ministerium dazu berechtigt.

Es handelt sich um AGORA, den Ecodefense-Frauenrat, Obschtschestvennyj Verdikt (Öffentliches Verdikt), „Juristen für konstititionelle Rechte und Freiheiten“ und das Menschenrechtszentrum Memorial. Diese Organisationen hatten gegen staatsanwaltliche Anweisungen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, geklagt und die Verfahren in erster Instanz verloren. Die Urteile werden angefochten und sind noch nicht rechtskräftig.
MEMORIAL hat in einer Erklärung die Einstellung der Organisation zu dem "Agentengesetz" erneut bekräftigt.

Das Antidiskriminierungszentrum MEMORIAL (ADZ) in Petersburg hat sich inzwischen aufgelöst, um der Registrierung als "ausländischer Agent" und den damit verbundenen Konsequenzen zu entgehen. Das Zentrum hat inzwischen gegen den Gerichtsentscheid, der es zur Registrierung zwingen sollte, beim Europäischen Menschenrechtsgericht Klage eingereicht. In der Klage legt das ADZ dar, dass drei Artikel der Europäischen Konvention für Menschenrechte durch das Gerichtsurteil verletzt worden sind.

Freitag, 18. Juli 2014

Erklärung des "Kongresses der Intelligenz"

Am 19. Juni tagte in Moskau der "Kongress der Intelligenz". Es ging um die Rolle und die Verantwortung der Intelligenz. Die im Vorfeld zu diesem Thema verfasste Erklärung wurde von über hundert prominenten Personen unterzeichnet.
Es folgt der Text der Erklärung.

Gespaltenes Russland – unsere Rolle und Verantwortung

Die ukrainische Krise, die Mobilisierung und Polarisierung der öffentlichen Meinung im Zusammenhang mit den Ereignissen im Nachbarland und dann der blutige bewaffnete Konflikt in der Ostukraine haben den in unserer Gesellschaft de facto bereits seit Anfang der 90er Jahre bestehenden kalten Bürgerkrieg extrem verschärft.

Es ist zu einer tiefen Spaltung in der gesamten Gesellschaft gekommen, auch in dem Teil, den man gewöhnlich als Intelligenz bezeichnet. Wir beobachten derzeit, dass viele von denen, die sich zur Intelligenz zählen, vom patriotischen Rausch erfasst sind (die einen aus Gedankenlosigkeit, andere aus merkantilen Überlegungen). Sie haben sich wie die hauptamtlichen Kremlpropagandisten und regierungstreuen Ideologen faktisch der antiukrainischen Kampagne angeschlossen, die nicht nur in subversiven Aktionen gegen das Nachbarland besteht, sondern auch das gesellschaftspolitische Klima in Russland selbst deutlich verschlechtert und die soziale Spannung anheizt.

Unter dem Nebelvorhang der ultrapatriotischen Propaganda werden Freiheit und Demokratie immer mehr eingeschränkt, eine Entwicklung, die uns geradewegs in eine totalitäre Gesellschaft führen wird.

Unter der Restauration des Totalitarismus haben alle Parteien in der verschärften öffentlichen Polemik zu leiden, egal wie sie zum westlichen Liberalismus, zur territorialen Zugehörigkeit der Krim und des Donbass und zur Rolle Stalins in der Geschichte stehen.

Der innere Konflikt in der Ukraine ist zu einem handfesten blutigen Krieg geworden, in den auch Russland involviert ist. Opfer dieses Krieges kommen bereits als „Ladung 200“ nach Russland, und wir sehen, wie die Machthaber ihre Leichen versteckt, die Namen geheim hält und nicht erlaubt, diese Menschen menschlich zu bestatten. Die Verantwortung für den Tod dieser Menschen liegt bei der Regierung und den Anstiftern, die im Fernsehen dazu aufrufen, sich noch intensiver in die Angelegenheiten eines souveränen Landes einzumischen, seine Grenzen zu verletzen, militärische Hilfe zu leisten und freiwillige Kämpfer in den sicheren Tod zu schicken. Und jene, die Glück haben und am Leben bleiben, kehren geistig, manchmal auch physisch verkrüppelt zurück und bringen die schreckliche Erfahrung eines Bürgerkriegs nach Russland. Ihr Auftauchen wird die ohnehin zunehmende Konfrontation in Russland noch weiter verschärfen.

Obwohl die Regierung gezwungen ist, unter dem Druck der Weltgemeinschaft einige halbherzige Versöhnungsgesten zu machen und der Präsident sogar auf das ihm gewährte Recht, Truppen in die Ukraine zu entsenden, verzichtet hat, geht der Konflikt weiter. Er wirkt sich auf das ganze Leben in unseren beiden Ländern aus.

Seinerzeit galt die russische Intelligenz als das Gewissen der Nation. Heute ist sie gepalten, und viele Personen, die dieser Schicht formal angehören, kommen bereitwillig allen Wünschen der Regierung nach und billigen all ihre unvernünftigen, ja sogar selbstmörderischen Aktionen. Aber jene, denen die Begriffe Ehre, Gewissen, Verantwortung gegenüber Land, Volk und Geschichte noch etwas bedeuten, dürfen nicht verzweifeln, den Mut nicht sinken lassen. Sie müssen den Menschen die Wahrheit auf jede mögliche Weise nahebringen, die Lüge entlarven, den Frieden in der eigenen Gesellschaft suchen und sich aktiv gegen jene zur Wehr setzen, die bewusst oder in sinnlosem Rausch großes Unheil anrichten und uns in einen neuen Bürgerkrieg verwickeln. Die Pflicht der Intelligenz heute ist es, zur Kompromissfindung beizutragen, unmittelbare Konfrontationen zu entschärfen und daraus einen sachlichen Dialog zu machen, an dem alle teilnehmen, die dazu imstande sind.

Es ist Zeit, dass sich Intellektuelle, Wissenschaftler, Literaten, Menschenrechtler, Politiker, Engagierte, Journalisten, alle denkenden Menschen endlich dessen bewusst werden, dass die Gefahr einer totalitären Revanche und sogar einer blutigen Konfrontation allzu real ist.

Wir müssen dem hereinbrechenden sozialen Unheil, das für alle eine tödliche Gefahr darstellt, moralischen Widerstand leisten.

Vladimir Vojnovich, Andrej Lipskij, Ljudmila Alekseeva, Ljudmila Ulizkaja, Irina Prochorova, Lev Ponomarev, Svetlana Gannuschkina, Valerij Borschtschev, Viktor Schenderovich, Andrej Subov, Leonid Gozman, Boris Dubin, Marietta Tschudakova, Konstantin Asadovskij, Lev Gudkov, Leonid Tschubarov und viele andere

Samstag, 12. Juli 2014

Hoffnung für das GULAG-Museum Perm-36?

Gouverneur sichert Unterstützung zu

In den letzten Monaten ist es zu schwerwiegenden Irritationen im Zusammenhang mit der Arbeit des GULAG-Museums Perm 36 gekommen, der einzigen Gedenkstätte dieser Art in Russland. Wie schon länger geplant, wurde das Museum zu Jahresbeginn eine staatliche Einrichtung. Ursprünglich sollte es in ein föderales Programm „zum Gedenken an die Opfer politischer Verfolgungen“ integriert werden. Allerdings bestehen nur noch wenig Chancen, dass dieses föderale Programm umgesetzt wird.

Vertreter des Museums Perm-36 und der Regionalregierung von Perm hatten monatelang über die künftige Arbeit und Gestaltung des Museums verhandelt und schließlich eine Einigung erreicht. Das entsprechende Dokument wurde jedoch von der Regierung nicht unterschrieben. In dieser Zeit kam die Arbeit des Museums zum Erliegen: Eine staatliche Finanzierung blieb aus, Wasser und Strom wurden wegen nicht bezahlter Rechnungen abgestellt, Exkursionen nicht mehr durchgeführt, die langjährige Direktorin Tatjana Kursina, die auch die staatliche Einrichtung hätte leiten sollen, wurde als angeblich „nicht effiziente Managerin“ entlassen. Das bekannte traditionelle Sommerfestival „Pilorama“ fällt in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal aus.

Der für seine Propaganda-Sendungen gegen Oppositionelle und NGOs berüchtigte staatliche Sender NTV strahlte eine Reportage aus, die der Gedenkstätte unterstellte, Kriegsverbrecher und Faschisten zu verherrlichen. Als Kronzeugen traten ehemalige Lageraufseher auf. Der Tenor der Sendung entsprach der Kampagne, die schon seit langem von der stalinistischen Organisation „Sut vremeni“ (Wesen der Zeit) gegen die Gedenkstätte (und andere Aufarbeitungsinitiativen) geführt wird.

Wiederholte Versuche, sich an den Gouverneur zu wenden, waren lange ohne Ergebnis geblieben. Bereits im November letzten Jahres, anlässlich des bevorstehenden zwanzigjährigen Jubiläums der Gedenkstätte, hatte man ihn um ein Treffen gebeten. Schließlich wandte sich Memorial Perm mit einem offenen Brief an den Gouverneur mit der dringenden Bitte, die Verhandlungen fortzusetzen, die erreichte Vereinbarung zwischen Regionalregierung und dem Museum zu unterzeichnen, Tatjana Kursina wieder einzustellen und das Museum auf Grund der vereinbarten gesellschaftlich-staatlichen Partnerschaft wieder in Betrieb zu nehmen.

Eine entsprechende Petition an den Gouverneur, die auch in deutscher Übersetzung vorliegt, wurde inzwischen von mehr als 50.000 Personen unterzeichnet.

Vor diesem Hintergrund fand in dieser Woche (am 8. Juli) schließlich ein Treffen mit Gouverneur Viktor Basargin statt. Als Vertreter von Memorial nahmen Alexander Kalich und Robert Latypov sowie drei weitere Memorial-Mitglieder teil, deren Angehörige in den 30er Jahren in dem Lager eingesessen hatten, sowie die regionale Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Margolina, die am Zustandekommen der Begegnung wesentlichen Anteil hatte.

Basargin sicherte zu, dass die Regionalregierung keineswegs die Absicht hätte, das Konzept der Gedenkstätte zu verändern. Niemand wolle das Museum schließen, es solle seine Arbeit in vollem Umfang fortsetzen. Für den Unterhalt seien im Regionalhaushalt – anders als in den Vorjahren – Mittel bereitgestellt worden. Der Gouverneur räumte ein, dass im Laufe der Umstrukturierung gravierende Fehler gemacht worden seien, die die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Vertretern der zivilgesellschaftlichen Initiativen in Frage gestellt hätten. In Kürze werde die endgültige Textfassung der Vereinbarung vorgelegt, die alle Punkte enthalten werde, die mit dem Museum abgesprochen waren.

Der Verwaltungschef der Regionalregierung Frolov hatte nach einem Besuch der Gedenkstätte Ende letzter Woche betont, es gebe mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen mit den Mitarbeitern von „Perm-36“, der Konflikt werde von manchen Medien und politisch interessierten Organisationen aufgebauscht. Als staatliche Einrichtung werde sich das Museum selbstverständlich verändern, aber „von Zensur“ könne „keine Rede sein“.

Oleg Sentsov: "Ich bin kein Leibeigener"

Moskauer Gericht verlängert Untersuchungshaft von Oleg Sentsov

Ein Moskauer Gericht hat die Untersuchungshaft für den Regisseur Oleg Sentsov bis zum 11. Oktober verlängert.

Oleg Sentsov war am 10. Mai auf der Krim verhaftet und am 23. Mai zusammen mit Alexander Koltschenko nach Moskau verschleppt worden. Ihnen und zwei weiteren Personen (Gennadij Afasnasev und Aleksej Tschirnij, die ebenfalls im Mai verhaftet wurden) wird vorgeworfen, in Simferopol und anderen Städten auf der Krim Terroranschläge geplant zu haben.

Vor Gericht bestritt Sentsov alle Vorwürfe und erklärte:
„Ich war niemals Mitglied des Rechten Sektors, ich habe keine Terrorgruppen organisiert oder Terroranschläge auf der Krim vorbereitet. Der 9. Mai ist für mich wie für jeden Slaven heilig, Denkmäler, die diesem Tag gewidmet sind, sind unantastbar. Deshalb entbehrt die Anklage, Sprengstoffanschläge auf diese Denkmäler geplant zu haben, nicht nur jeder Grundlage, sondern ist ausgesprochen beleidigend.

Ich habe die Verbrechen, die mir zur Last gelegt werden, nicht begangen. Es handelt sich hier um ein fabriziertes, politisches Verfahren, das sich auf Aussagen zweier Verdächtiger stützt, die sie unter der Folter gemacht haben. Jetzt können sie davon nicht mehr Abstand nehmen. Man hat ihnen eine geringfügige Strafe zugesichert.

Ich bin zu Anfang ebenfalls misshandelt worden. Ich wurde nicht am 11., sondern am 10. Mai festgenommen. Vor den offiziellen Verhören wurde ich im SBU-Gebäude von Simferopol gefoltert, ich wurde geschlagen und gedemütigt. Man wollte von mir ein Geständnis und die Aussage erreichen, die Majdan-Führung und die Ukraine hätten mich zu diesen Verbrechen beauftragt. Nachdem ich das abgelehnt hatte, wurde mir angekündigt, dass ich als Organisator dieser Verbrechen vor Gericht gestellt würde, und dass man mir schwerere Straftaten zur Last legen wird.

Ich möchte erklären, dass ich nicht beabsichtige, in meiner Zelle im Lefortovo-Gefängnis die Fenster zu putzen und in der 6. Etage des Untersuchungskomitees zu rauchen und irgendwelche anderen Selbstmordaktionen auszuführen. Drohungen in dieser Richtung habe ich schon erhalten.

Ich protestiere hiermit gegen den Versuch, mir die ukrainische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Ich war, bin und bleibe Bürger der Ukraine. Ich erkenne die Annexion und die miltiärische Besetzung der Krim durch die Russische Föderation nicht an. Jegliche Verträge, die die illegitime Regierung der Krim mit der Russischen Föderation schließt, halte ich für ungültig. Ich bin kein Leibeigener, den man mit seinem Stück Land weitergeben könnte. Ich habe die russische Staatsbürgerschaft nicht beantragt und auch nicht auf die ukrainische verzichtet.

Ich mache mir keine Illusionen über die russländische Rechtsprechung. Ich mache mich auf ein Urteil von 20 und mehr Jahren gefasst.“

Ferner wies Sentsov darauf hin, dass er im Laufe der inoffiziellen Verhöre mit diversen Gegenstände in Berührung gebracht worden sei. Möglicherweise sei geplant, diese als Beweismittel gegen ihn zu verwenden, um sich nicht allein auf Zeugenaussagen stützen zu müssen.

Donnerstag, 10. Juli 2014

Spendenaufruf für die "Union der Donfrauen"

Die "Union der Donfrauen" gehören zu den russischen NGOs, die sich juristisch gegen das Ansinnen, sich nach dem "Agentengesetz" als "ausländische Agenten" registrieren zu lassen, zur Wehr gesetzt haben. Inzwischen haben sie ihr Verfahren verloren. Die hohe Geldstrafe, zu der sie verurteilt wurden, ist für die Organisation existenzbedrohend.
Hier folgt der Spendenaufruf der Organisation OWEN zugunsten der Donfrauen.

"Die 1993 gegründete "Union der Donfrauen" (www.donwomen.ru) aus Novotscherkassk in der Rostower Region gehört zu den russischen Nichtregierungsorganisationen, die direkt und mit besonderer Härte von den staatlichen Repressionen gegenüber unliebsamen BürgerInnenvereinigungen betroffen sind.
Die in der Region sehr bekannte und geschätzte Organisation engagiert sich seit mehr als 20 Jahren für die Rechte und Belange von Frauen sowie für Opfer von Kriegen, Naturkatastrophen und Ungerechtigkeit im gesamten Nordkaukasus. Die Donfrauen arbeiten seit 10 Jahren mit verschiedenen internationalen Organisationen zusammen, wie der Berliner Frauenfriedensorganisation OWEN e.V., und beziehen für ihre wichtige Arbeit Fördergelder aus dem Ausland, weil ihnen jene in Russland meist verwehrt werden.
Nun werden die „Union der Donfrauen“ und deren Gründerin und Direktorin Walentina Tscherewatenko genau aus diesem Grund öffentlich diffamiert: sich betätigten sich mit „westlicher“ Unterstützung politisch und führten somit „Agententätigkeit“ aus.
Diese „Logik“ entspricht dem 2012 in Russland erlassenen Gesetz, nach dem alle Nichtregierungsorganisationen, die Fördergelder aus dem Ausland beziehen, sich als „Agent“ registrieren lassen müssen. Die „Donfrauen“ gingen vor Gericht, um sich gegen die Vorwürfe zu wehren. Nach mehreren Gerichtsprozessen wurde im Juni 2014 die Klage der Donfrauen vom Gericht abgewiesen. Die Organisation ist nun als „Agent“ registriert worden.
Verbunden mit dem Urteilsspruch ist eine Geldstrafe in Höhe von ca. 7.500,-€, die voraussichtlich bis Mitte August 2014 gezahlt werden muss. Bei Nichtzahlung erfolgt eine Haftstrafe für Walentina Tscherewatenko.
Um weiter arbeiten zu können, sind die Donfrauen dringend auf schnelle solidarische Unterstützung durch private Spenden angewiesen.
Als langjährige Partnerorganisation wendet sich OWEN e.V. an Euch/Sie mit der Bitte um eine einmalige Spende.
Aufgrund der Dringlichkeit überweisen Sie Ihre Spende bitte unter dem Stichwort „Donfrauen in Not“ bis zum 31.Juli 2014 auf folgendes Spendenkonto:
Bank für Sozialwirtschaft
BIC: BFSWDE33BER
Kontonr. / IBAN: DE61100205000003311803
Verwendungszweck: Donfrauen in Not

Für Spenden ab 10,00 EUR stellt OWEN e.V. eine Spendenbescheinigung aus. Hierfür fügt/fügen Sie der Überweisung bitte Ihre vollständige Adresse bei. Ende August werden wir Sie /Euch über den Erfolg unseres Spendenaufrufs informieren.
Im Namen der Donfrauen danken wir Euch/Ihnen für Eure/Ihre persönliche Solidarität und Unterstützung.
OWEN e.V.
Ansprechpartnerin: Inga Luther luther@owen-berlin.de.

OWEN - Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung e.V.
c/o metroGap Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin www.owen-berlin.de
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Führer des Medzhlis darf nicht auf die Krim zurück

Erneut führender Krimtatare mit Einreisesperre belegt

Dem Leiter des Medzhlis der Krimtataren Refat Tschubarov wurde am 5. Juli die Einreise auf die Krim verweigert. Er befand sich auf der Rückreise, nachdem er an einer Sitzung im Gebiet Cherson auf dem ukrainischen Festland teilgenommen hatte. Die anderen Krimtataren, die ebenfalls teilgenommen hatten, wurden an der Einreise nicht gehindert.

Die amtierende Staatsanwältin der Krim verlas Tschubarov einen Beschluss über das Einreiseverbot. Wie verlautet, hat Russland ihn mit einer Einreisesperre von fünf Jahren belegt.

Vor einigen Monaten, am 22. April, war bereits gegen den früheren Leiter des Medzhlis, Mustafa Dzhemilev, eine fünfjährige Einreisesperre verhängt worden. Dzhemilev hatte jahrzehntelang für das Recht der Krimtataren gekämpft, in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen, und dafür viele Jahre in Straflagern verbracht. Er ist ein engagierter Gegner der Annexion der Krim durch Russland.

Mittwoch, 2. Juli 2014

Überfall auf Menschenrechtler in Voronezh

Andrej Jurov vor dem "Haus der Menschenrechte" attackiert


Am 1. Juli ist der bekannte Menschenrechtler Andrej Jurov in Voronezh vor dem "Haus für Menschenrechte" von Unbekannten tätlich angegriffen worden.

Zwei Maskierte attackierten ihn von hinten, schlugen auf ihn ein und bespritzten sein Gesicht mit grüner Farbe. Ärzte stellten danach Verätzungen an den Augen fest.

In der letzten Woche hatte im "Haus der Menschenrechte" das Festival "Stadt der Rechte" stattgefunden, das auf große Resonanz gestoßen war. In diesen Tagen war es bereits zu mehreren publizistischen Attacken auf das Haus und die dort tätigen NGOs gekommen.

Andrej Jurov ist Mitglied im Rat für Menschenrechte beim Präsidenten Russlands. Er leitet den Ständigen Ausschuss für Menschenrechte im Ausland. Am 25. Juni wurde er in den Vorstand der Arbeitsgruppe zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine sowie einer weiteren Arbeitsgruppe zur Förderung der Zivilgesellschaft auf der Krim gewählt.

Jurovs Positionierung zu Menschenrechtsverletzungen auf der Krim könnte ein weiteres Motiv für die Attacke gegen ihn gewesen sein.