Freitag, 12. Dezember 2014

Sacharow-Zentrum wird überprüft

Justizministerium verfügt mehrwöchige Überprüfung

Vom 12. Dezember bis zum 19. Januar soll eine außerplanmäßige Überprüfung des Sacharow-Zentrums durch das Justizministerium stattfinden. Dies wurde dem Zentrum am 4. Dezember mitgeteilt. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass eine Anzeige eines Bürgers eingegangen sei, der verboten habe, seine persönlichen Daten zu veröffentlichen.

Zugleich wird als „Gegenstand der Überprüfung“ die Tätigkeit des Zentrums „als nichtkommerzielle Organisation, die die Funktion eines ausländischen Agenten ausübt“, angegeben. Das Sacharow-Zentrum ist indes keineswegs als „ausländischer Agent“ verzeichnet.

Im Frühjahr 2013 ist neben vielen anderen NGOs auch das Sacharow-Zentrum außerplanmäßig daraufhin überprüft worden, ob seine Tätigkeit der russischen Gesetzgebung entspreche. Beanstandungen gab es keine, ebensowenig wie bei der planmäßigen Überprüfung im August und September 2014.

Die "letzte Adresse"

Erste Gedenktafeln in Moskau

In den letzten Tagen wurden im Rahmen des Projekts „Die letzte Adresse“ die ersten Gedenktafeln an Wohnhäusern in Moskau angebracht. Die Tafeln sollen an diejenigen erinnern, die seinerzeit in den Häusern gelebt haben und politischer Verfolgung zum Opfer fielen.

Das Projekt wird ausschließlich aus Spenden finanziert. Eine Tafel kostet 4.500 Rubel. Bisher liegen bereits 300 Anträge vor. Am 7. Dezember wurden auf Initiative der Bewohner an sieben Moskauer Häusern Gedenktafeln angebracht.

Am 10. Dezember wurden im Beisein von etwa 50 Personen trotz Schneefalls an weiteren Häusern Tafeln installiert. Der Vorsitzende des Menschenrechtsrats Michail Fedotov betonte ausdrücklich, dass es sich hier um eine Bürgerinitiative handele, die sich mit dem staatlichen Anliegen decke, das Andenken an die Opfer zu bewahren.

Sergej Parchomenko, einer der maßgeblichen Initiatoren des Projekts, äußerte die Hoffnung, dass aus dem Projekt bald eine breite Bewegung "Die letzte Adresse" werden könnte.

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Svetlana Gannuschkina erhält Europa-Preis der Schwarzkopf-Stiftung

Svetlana Gannuschkina hat den Europa-Preis der Schwarzkopf-Stiftung für 2014 erhalten.

Dieser Preis wird an Institutionen oder Personen des öffentlichen Lebens verliehen, die sich in besonderer Weise "um die europäische Verständigung, um das Zusammenwachsen Europas und seine friedliche, verantwortungsbewusste Rolle in der Welt verdient gemacht haben". Die Preisträger werden von den „Jungen Europäern des Jahres“ ausgewählt - einer Jury aus 14 Personen, die in den letzten Jahren als "Junge Europäer/innen" ausgezeichnet wurden.

Svetlana Gannuschkina wird für ihren beispiellosen Einsatz für die Menschenrechte und insbesondere für Flüchtlinge und Vertriebene in Russland geehrt. Sie leitet die Flüchtlingshilfeorganisation "Grazhdanskoe sodejstvie" (Bürgerunterstützung) sowie das Programm "Migration und Recht" von MEMORIAL.

Svetlana Gannuschkina wies aus diesem Anlass auf die bedrängte Lage der Zivilgesellschaft in Russland hin: „Wir können und müssen die in den letzten 20 Jahren gewachsene Zivilgesellschaft am Leben erhalten“, betonte sie.

Die Preisverleihung hat am 4. Dezember in der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg stattgefunden.

"Union der Donfrauen" verliert Verfahren

"Donfrauen" bleiben als "ausländische Agenten" verzeichnet

Ein Moskauer Bezirksgericht hat gestern die Klage der „Donfrauen“ gegen ihre Eintragung ins Register „ausländischer Agenten“ zurückgewiesen.

Nachdem das Justizministerium inzwischen durch eine Gesetzesänderung berechtigt ist, NGOs, die es für „ausländische Agenten“ hält, selbst in das entsprechende Register einzutragen, sind inzwischen 18 Organisationen dort verzeichnet, zu denen u. a. die „Donfrauen“; das Menschenrechtszentrum MEMORIAL und die „Soldatenmütter von St. Petersburg“ gehören.

Die „Donfrauen“ haben diese Eintragung gerichtlich angefochten und dieses Verfahren gestern in erster Instanz verloren. Die Begründung dieses Urteils wird erst in einigen Tagen vorliegen. Elena Perschtschakova von der Organisation „Gesellschaftliches Verdikt“ (Obschtschestvennyj verdikt), die die „Donfrauen“ vor Gericht vertritt, hat bereits angekündigt, dass die NGO gegen das Urteil Revision einlegen wird.

Das Menschenrechtszentrum MEMORIAL hatte das entsprechende Verfahren im September ebenfalls verloren.

Freitag, 5. Dezember 2014

„Das Menschenrechtsklima ist nicht wiederzuerkennen“

Pressekonferenz von Human Rights Watch in Moskau

Auf einer Pressekonferenz in Moskau am 4. Dezember beklagte der Direktor von Human Rights Watch Kenneth Roth, dass sich die Menschenrechtslage in Russland insbesondere in den letzten beiden Jahren signifikant verschlechtert habe. Bereits seit Beginn der 2000er Jahre gab es laut Roth beunruhigende Anzeichen für zunehmenden Druck auf Kritiker. Seit der Rückkehr von Vladimir Putin ins Präsidentenamt 2012 seien Rechte und Freiheiten immer mehr beschnitten worden.

Besonders bedrängt würden Nichtregierungsorganisationen. Roth sprach hier das „Agentengesetz“ an, demzufolge sich NGOs als „ausländische Agenten“ registrieren lassen müssen bzw. inzwischen vom Justizministerium als solche registriert werden, sofern sie ausländische Fördergelder erhalten. Roth wies ausdrücklich darauf hin, dass der Begriff „ausländischer Agent“ im Russischen als „Spion“ verstanden wird – eine Tatsache, die westlichen Politikern und Medien oft nicht bewusst ist. Inzwischen seien 17 Organisationen gegen ihren Willen als „ausländische Agenten“ verzeichnet worden, darunter auch das Menschenrechtszentrum MEMORIAL.

"In keinem Land, das sich um die Einhaltung der Menschenrechte bemüht, gibt es eine solche Praxis, einer Organisation das Etikett eines 'ausländischen Agenten' anzuheften", betonte Roth. Die Situation des Menschenrechtszentrums MEMORIAL sei unfassbar.

Roth betonte, dass „starke Menschenrechtsgruppen und unabhängigen Stimmen in der Gesellschaft und den Medien eine wesentliche Rolle dabei zukommt, wenn es darum geht, ein autoritäres Regime zu verhindern und Menschenrechtsstandards zu bewahren.“

Generalsekretär des Europarats besucht MEMORIAL

Der Generalsekretär des Europarats Thorbjørn Jagland, der sich auf einem Staatsbesuch in Russland befindet, hat am 27. November die Internationale Gesellschaft MEMORIAL besucht.

„MEMORIAL“ sei eine „herausragende Organisation“, es sei sehr wichtig, dass jede Nation im Bewusstsein ihrer Geschichte lebe, und „Sie leisten in Russland dazu einen Beitrag“. Auf die Nachricht von der drohenden Schließung von MEMORIAL (des russischen Dachverbands) habe er sich umgehend an den russischen Justizminister gewandt mit dem Appell, das zu verhindern. Er wolle diese Frage bei der bevorstehenden Begegnung mit ihm erneut ansprechen.

Arsenij Roginskij dankte Jagland für seine Unterstützung. Er hielt fest, dass das Justizministerium gegen die russische Gesellschaft MEMORIAL formale Einwände erhoben habe (auf die der Verband inzwischen mit einer Satzungsänderung reagiert hat). Das Menschenrechtszentrum MEMORIAL dagegen sei im Juli 2014 als „ausländischer Agent“ registriert und gebrandmarkt worden.

Alexander Tscherkasov, der Leiter des Menschenrechtszentrums, und Roginskij betonten, wie sehr die gegenwärtige Arbeit von MEMORIAL mit der Vergangenheit zusammenhängt. „Wir stellen Listen politischer Gefangener zusammen und verzeichnen politische Verhaftungen und Festnahmen bei Massenkundgebungen. (…) 1968 hat die ‚Chronik‘ [Chronik der laufenden Ereignisse, Menschenrechtsbulletin, das seit 1968 über politische Verfolgungen berichtete] dasselbe getan und wurde dafür verfolgt. Wir setzen also diese Tradition fort, und die Staatsanwaltschaft tut dies mit ihren Handlungen ebenfalls.“

Roginskij wies auf die Probleme hin, die die Machthaber im Verhältnis zur Gesellschaft haben: „Der Regierung fällt es schwer zu verstehen, was eine Gesellschaft ist, was gesellschaftliche Organisationen und Vereinigungsfreiheit bedeuten. (…) Vergangenheit und Gegenwart sind eins. Wir untersuchen wir die massenhaften Menschenrechtsverletzungen und den Terror in der Vergangenheit . Und wenn wir uns mit den Menschenrechtsverletzungen heute befassen, stützen wir uns dabei auf unsere Kenntnisse von der Vergangenheit“.

Russland sei ein Teil Europas: „Wir haben eine gemeinsame Geschichte, und die Arbeit von MEMORIAL ist in allem ein Beweis für diese These. Es gibt für uns keinen anderen Weg als den europäischen. Die Werte der Menschenrechte – das sind unsere gemeinsamen Werte. (…) Russland ändert sich dann, wenn die Menschen hier begreifen, dass der Staat unser Diener ist und nicht wir Diener des Staates. Es ist das Ziel von MEMORIAL, das den Menschen zu vermitteln.“