Dienstag, 25. November 2014

Vollversammlung von MEMORIAL bei Moskau

Erforderliche Satzungsänderungen verabschiedet. Inhaltliche Arbeit bleibt unberührt


Vom 21. bis 23. November hat die 9. Vollversammlung der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL sowie der Russischen Gesellschaft MEMORIAL in der Nähe von Moskau stattgefunden. An der ersteren nahmen Vertreter aus mehreren Ländern teil (Russland, Ukraine, Kasachstan, Lettland, Italien, Frankreich, Deutschland), insgesamt 53 Organisationen, bei letzterer waren 57 Verbände vertreten, darunter 50 aus den Regionen.

Beide Organisationen waren aus formalen Gründen, u. a. Beanstandungen des Justizministeriums im Falle des russischen Dachverbands, gezwungen, Satzungsänderungen vorzunehmen, um die Struktur der Organisationen zu ändern. Die inhaltliche Arbeit bleibt davon selbstverständlich unberührt.

Für beide Organisationen wurden für die kommenden vier Jahre neue Vorstände gewählt.

Die Diskussion der inhaltlichen Arbeit kam dabei nicht zu kurz. Etliche Projekte zur historischen Aufarbeitung wurden vorgestellt, insbesondere aus den Regionen. In der Sektion zur aktuellen Menschenrechtsarbeit ging es nicht zuletzt um die Ukraine (MEMORIAL war an mehren Missionen in die Ukraine beteiligt) sowie einen besonderen Aspekt der Arbeit von MEMORIAL - der Mitarbeit in den Beobachtungskommissionen, die die Zustände in Gefängnissen überwachen. In diesen Kommissionen sind zahlreiche regionale MEMORIAL-Verbände vertreten.

Am 20. November hatte zuvor in Moskau ein Festakt aus Anlass des 25jährigen Bestehens von MEMORIAL stattgefunden.

Denkmal für Opfer politischer Verfolgungen in Moskau geplant

Langjährige Forderung von MEMORIAL soll erfüllt werden

 

In Moskau soll ein Denkmal zum Gedenken an die Opfer politischer Verfolgungen errichtet werden. Dies ist seit über einem Vierteljahrhundert eines der wesentlichsten Anliegen von MEMORIAL, das gegen Ende der Peestrojka von breiten Kreisen geteilt wurde und für die unterschiedlichsten Initiativen ein Motiv war, sich zur Gesellschaft MEMORIAL zusammenzuschließen.

Nach einer Zusammenkunft mit dem Menschenrechtsrat (dem Rat für Entwicklung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten) hat Präsident Putin (bisher nur in mündlicher Form) der Präsidialverwaltung und den Moskauer Behörden eine entsprechende Anweisung gegeben. Bei dieser Gelegenheit hatte Sergej Karaganov, Leiter der Arbeitsgruppe zur Entstalinisierung, darauf hingewiesen, dass es bisher lediglich den (seinerzeit von MEMORIAL angebrachten) Solovezki-Gedenkstein vor der Lubjanka gebe, aber kein Denkmal: „Das Land kann sich nicht in vollem Sinne entwickeln, wenn es der Opfer politischer Verfolgungen nicht gedenkt.“ Präsident Putin stimmte ihm zu: „Es ist natürlich verwunderlich, dass die Frage des Gedenkens an diese Opfer hier in Moskau immer noch nicht geklärt ist. Das muss natürlich getan werden“.

Am 21. November hat aus diesem Anlass bereits ein Treffen stattgefunden. Teilnehmer waren für die Präsidialverwaltung Vjatscheslav Volodin, der Vorsitzende des Menschenrechtsrats Michail Fedotov, die derzeitige Menschenrechtsbeauftragte Ella Pamfilova ujnd ihr Vorgänger Vladimir Lukin, der (in den letzten Tagen wiedergewählte) Vorsitzende von MEMORIAL International Arsenij Roginskij und als Vertreter der Stadt Moskau Sergej Kapkov (Leiter der Kulturabteilung) und Alexander Musykantskij (Menschenrechtsbeauftragter für Moskau).

Für Anfang Dezember ist das nächste Treffen geplant. Es geht vor allem darum, den künftigen Standort des Denkmals festzulegen (im Gespräch ist der Sacharov-Prospekt) und eine Ausschreibung zu organisieren.

Nach den Worten Sergej Karaganovs wäre dieses Denkmal „ein Signal für die gesamte Gesellschaft , dass man in Russland seiner Geschichte gedenken und sich ehrlich mit ihr auseinandersetzen will“. Damit wolle die Regierung demonstrieren, dass sich der politische Kurs auch auf eine normale Entwicklung der Gesellschaft orientieren könne und nicht nur am Bestreben, die Schrauben anzuziehen.

Partnerorganisation von MEMORIAL angeblich "ausländischer Agent"

Justizministerium registriert zwei weitere Organisationen als "ausländische Agenten"

 

Das russische Justizministerium hat zwei weitere Organisationen als "ausländische Agenten" registriert: das "Institut für regionale Presse" und die Nachrichtenagentur "Memo.ru".

"Memo.ru" ist eine Partnerorganisation von MEMORIAL, die vor allem das Internet-Portal "kavkazskij uzel" (Kaukasischer Knoten) betreibt und die Zeitung "30 oktjabrja" (30. Oktober) herausgibt (der 30. Oktober ist der Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgungen).

Als Begründung führt das Justizministerium an, bei Überprüfungen habe sich ergeben, dass die beiden Organisationen den Kriterien für Nichtregierungsorganisationen entsprechen, "die die Funktion eines ausländischen Agenten ausüben".

Donnerstag, 13. November 2014

Verhandlung gegen MEMORIAL Russland vertagt

Die für den heutigen 13. November angesetzte Verhandlung vom Obersten Gericht gegen den russischen Dachverband von MEMORIAL ist auf den 17. Dezember vertagt worden.

Das russische Justizministerium hatte vor einigen Wochen beim Obersten Gericht die Auflösung des Verbandes beantragt. Seine formale Struktur entspräche nicht den gesetzlichen Vorschriften, die eine einheitliche Strukturierung und Bezeichnung aller Mitgliedsverbände verlangten. Diese Vorwürfe hatte das Justizministerium erstmals nach einer Routine-Überprüfung von MEMORIAL Russland Ende 2012 erhoben, nachdem es über ein Jahrzehnt keinerlei derartigen Beanstandungen vorgebracht hatte.

Die darauf folgenden gerichtlichen Auseinandersetzungen hatte MEMORIAL verloren und daher beschlossen, auf der anstehenden Vollversammlung (21.-23. November) die geforderten Satzungsänderungen vorzunehmen. Bei Gericht beantragte MEMORIAL daher die Verschiebung des Termins.

Das Justizministerium hat vor einigen Tagen ebenfalls eine Vertagung beantragt. Auf der heutigen Sitzung folgte das Oberste Gericht diesen Anträgen und setzte als nächsten Termin den 13. Dezember fest.

Gegen die drohende Schließung des russischen Dachverbands von MEMORIAL hat es inzwischen zahlreiche Proteste im In- und Ausland gegeben.

Mittwoch, 12. November 2014

Soldatenmütter St. Petersburg bleiben als "ausländische Agenten" registriert

Ein Verfahren für die Löschung aus dem Register ist nicht vorgesehen

Das Justizministerium der Russischen Föderation hat es abgelehnt, die „Soldatenmütter St. Petersburg“ aus dem Verzeichnis „ausländischer Agenten“ auszutragen. Begründet wurde dies damit, dass das „Agentengesetz“ (das NGOs, die politisch tätig sind und unter anderem Gelder aus dem Ausland erhalten, aus „ausländische Agenten“ qualifiziert) keine Regelung für einen derartigen Vorgang vorsieht. Eine Löschung aus dem „Agenten-Register“ ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Die „Soldatenmütter“ waren Ende August d. J. vom Justizministerium in das Verzeichnis „ausländischer Agenten“ aufgenommen worden, unmittelbar nachdem die Organisation von russischen Soldaten berichtet hatte, die bei Kämpfen in der Ukraine ums Leben gekommen waren.

Diese Eintragung kann juristisch angefochten werden, was die „Soldatenmütter“ umgehend getan hatten. Sie hatten eingewandt, keine ausländischen Fördergelder zu bekommen, sondern vielmehr seit August Unterstützung aus dem Fonds des russischen Präsidenten zu erhalten.

Dienstag, 11. November 2014

Verhandlung gegen MEMORIAL aufgeschoben?

Justizministerium beantragt Vertagung

Das russische Justizministerium hat beim Obersten Gericht beantragt, die auf den 13. November angesetzte Verhandlung gegen den russischen Dachverband von MEMORIAL zu verschieben. Das Ministerium hatte die Auflösung des Verbandes beantragt. Es teilte mit, MEMORIAL habe um die Verschiebung ersucht, um die beanstandeten Mängel in der Satzung beheben zu können.

Der stellvertretende Justizminister Sergej Gerasimov betonte in diesem Zusammenhang, Ziel des Justizministeriums sei es nicht, NGOs aufzulösen, die der Gesetzgebung nicht entsprächen. Das Ministerium habe bei seiner Entscheidung den Appell von Ella Pamfilova an Präsident Putin berücksichtigt. Die Position Ella Pamfilovas habe großen Stellenwert für das Ministerium.

Montag, 10. November 2014

Appell für MEMORIAL

Die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation Ella Pamfilova hat sich in einem Appell zugunsten von MEMORIAL an Präsident Putin gewandt:

„Ich wende mich an Sie, weil mich die Situation zutiefst beunruhigt, in der sich zurzeit eine der ältesten Menschenrechtsorganisation befindet – die Russische Gesellschaft Memorial für historische Aufklärung, soziale Fürsorge und Menschenrechte.

Das Justizministerium der Russischen Föderation hat beim Obersten Gericht die Auflösung der Russischen Gesellschaft MEMORIAL beantragt. Anlass sind formale Gründe – Formulierungen in der Satzung der Organisation. Das Gericht wird diese Frage am 13. November verhandeln.

Ohne die Begründung in Frage zu stellen, die das Justizministerium zu diesem Antrag veranlasst hat, halte ich es für angemessen, MEMORIAL die Möglichkeit zu geben, die gesetzlich erforderlichen Korrekturen an der Satzung, auf der vom 20.-23. November stattfindenden Konferenz der Organisation vorzunehmen.

Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung, der Reputation und der Autorität, die die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL in Russland ebenso wie im Ausland genießt, halte ich es für ungerecht, lediglich aus formalen Gründen die Existenz einer der ältesten russischen gesellschaftlichen Organisationen zu gefährden, die einen immensen Beitrag zur Entwicklung der russischen Zivilgesellschaft geleistet hat.

Sie haben wiederholt betont, welche Bedeutung der Zivilgesellschaft und insbesondere der Menschenrechtsbewegung – die hier besonders gefährdet ist - in Russland zukommt. Daher bitte ich Sie, dem Justizministerium zu empfehlen, seinen Antrag ans Oberste Gericht zurückzuziehen, damit die Gesellschaft MEMORIAL den Forderungen des Ministeriums nachkommen und ihre Arbeit fortsetzen kann.“

Auch aus dem Ausland erhielt MEMORIAL Bekundungen von Unterstützung und Solidarität. So wandten sich französische Wissenschaftler und Lehrer in einem Schreiben an den russischen Justizminister Konovalov.

Polnische Nichtregierungsorganisationen riefen das Justizministerium und das Oberste Gericht dazu auf, sich bei ihrer Entscheidung nicht von der "politischen Konjunktur" leiten zu lassen: "Das 27jährige Wirken von MEMORIAL gehört als wichtige Komponente der Zivilgesellschaft zur Geschichte des demokratischen Europa."

Sonntag, 2. November 2014

Weitere Etappe bei "Perm-36"

Beirat konstituiert sich

Am 31. Oktober fand in Perm die konstituierende Sitzung des für die weitere Entwicklung des Museums "Perm-36" zuständigen Beirats statt.

An der Sitzung nahmen u.a. Viktor Basargin (Gouverneur von Perm), Michail Fedotov (Vorsitzender des Menschenrechtsrats), Vladimir Lukin (ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter für Russland), Tatjana Margolina (Menschenrechtsbeauftragte von Perm), und Vertreter der nicht staatlichen Organisation Perm-36 teil (offizielle Bezeichnung: ANO (Autonome Nichtkommerzielle Organisation) Perm-36).
Im Vorfeld waren schon einige Fragen geklärt worden. Die Zusammensetzung des Beirats ist paritätisch. Die Leitung teilen sich Lukin und zwei Stellvertreter (Tatjana Margolina und Alexej Frolov (Administration des Gouverneurs). Für die ANO Perm-36 gehören dem Beirat Tatjana Kursina (langjährige Direktorin von Perm-36), der Historiker Leonid Obuchov und Alexej Simonov (als Vertreter für ihn Arsenij Roginskij) an, von Seiten der Regionalregierung Kulturminister Igor Gladnev, Nadezhda Kotschurova und Sergej Valenkov.

In erster Linie ging es um die Bildung einer Arbeitsgruppe (vorwiegend aus Mitarbeitern der ANO Perm-36 sowie aus Fachleuten und Museumspädagogen), die ein Konzept für die weitere Entwicklung des Museums Perm-36 erstellen soll, außerdem um die schon lange geplanten Vereinbarungen der ANO Perm einerseits mit der Regionalregierung und andererseits mit der seit Jahresanfang bestehenden staatlichen Einrichtung Perm-36 (die für Finanz- und Haushaltsfragen zuständig ist).

Bis zur nächsten Zusammenkunft am 20. November sollen diese organisatorischen Fragen geklärt werden.

Auf die Frage, ob der Konflikt um Perm-36 jetzt beigelegt sei, antwortete Vladimir Lukin unter Berufung auf das Sprichwort: "Man soll niemals nie sagen. ... Im Beirat sind Personen mit unterschiedlichen Auffassungen vertreten. Es wird Tausende Gegensätze geben. Aber ich hoffe, dass dies arbeitstechnische Gegensätze sein werden, wie sie immer im Leben vorkommen."
Das Sommerfestival "Pilorama", ein zivilgesellschaftliches Forum mit Diskussionen, Film- und Theateraufführungen usw., das von 2005 bis 2012 jährlich stattgefunden hatte und 2014 zum zweiten Mal abgesagt wurde, kam laut Lukin nicht zur Sprache. "Es ging darum, dass das Museum lebendig sein soll, es soll ein Raum für Diskussionen und unterschiedliche Veranstaltungen sein... Aber es soll keine direkten politischen Konfrontationen dort geben. In unserem Land gibt es politischen Pluralismus, solche Begegnungen haben eine Existenzberechtigung, aber das hängt nicht mit dem Museum zusammen."

Arsenij Roginskij äußerte sich vorsichtig zum Ergebnis:

„Für mich ist in der Geschichte von Perm-36 sehr wichtig, dass das eine gesellschaftliche Initiative ist. Gesellschaftliche Intiativen finden in unserem Land wenig Unterstützung, im Gegenteil, sie stehen immer unter Verdacht. Kann diese gesellschaftliche Initiative wirklich mit einer Art staatlichen Organisation koexistieren oder ist sie nicht doch dazu verurteilt, immer außerhalb des Staates und oft auch im Gegensatz zum Staat zu existieren? Das ist eine große Frage. Zweifel in dieser Hinsicht bestehen bei Vertretern der Zivilgesellschaft, mehr jedoch bei jenen des Staats, die davon ausgehen, dass es der Staat ist, der von oben bis unten unser gesamtes Leben durchdringt…

In einem Monat wird sich herausstellen, ob das gemeinsame Bestehen einer staatlichen und einer gesellschaftlichen Institution auf dem Territorium von Perm-36 eine Perspektive hat. (…) Heute haben wir einen gar nicht so geringen Schritt in dieser Richtung getan. Aber wir waren ja schon einmal so weit, nämlich zu Beginn dieses Jahres. Und drei Monate danach wurde Tatjana Kursina entlassen.

Staat und Gesellschaft begegnen sich immer mit Misstrauen und erwarten voneinander böse Tricks und Intrigen. (…) Heute sind wir einer gemeinsamen Lösung näher gekommen, aber beide Seiten beäugen einander mit dem unsicheren Gefühl, ob nicht die jeweils andere Seite doch ein Bein stellen wird."

Anders als vorher vereinbart, war Tatjana Kursina im Mai 2014 als Leiterin der staatlichen Einrichtung Perm-36 entlassen und durch die stellvertretende Kulturministerin von Perm Natalja Semakova (Edinaja Rossija) ersetzt worden.

Samstag, 1. November 2014

Sergej Krivenko: "Russland muss aus dem Kriegszustand heraustreten"



Sergej Krivenkos geplanter (nicht zustande gekommener) Auftritt anlässlich des Treffens mit Präsident Putin im Rahmen einer Sitzung des Rats für Zivilgesellschaft und Menschenrechte


"In Anbetracht der begrenzten Zeit hier einige Thesen über das gefährliche Niveau der Gewalt im Land.

In diesem Jahr ist die Schwelle zur Gewalt in unserer Gesellschaft drastisch gesunken. Es hat den Anschein, dass allen aktuellen Problemen heute ausschließlich mit Gewalt und Verboten begegnet wird.
Gewalt ist jedoch eine außergewöhnliche Maßnahme. Ihr Einsatz erfordert entsprechende Regelungen, sonst können die Folgen schwerwiegender sein als die eigentlichen Ursachen.
Sobald eine Entscheidung zur Gewaltanwendung getroffen wurde, ist es notwendig, Maßnahmen zur Gesundung der Menschen und zur Wiederherstellung des Lebensraumes zu planen und – das Allerwichtigste – zur Wiederherstellung der Beziehungen unter den Menschen, den Gesellschaften und den Ländern.,

Ich bitte um Entschuldigung für diese Anfängerweisheiten, aber mir scheint, dass das jetzt laut gesagt werden muss.
Der Anschluss der Krim sollte einige wichtige Probleme lösen, hat aber faktisch das System der Sicherheit untergraben, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hatte und auf der Helsinki-Schlussakte von 1975 basierte. Die Bedrohung ist durch die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln gestiegen, und damit auch die Gefahr eines Weltkrieges.
Unsere Zivilisation ist sehr zerbrechlich, die Sicherheit der Welt unteilbar und kann nicht nur für irgendein Land separat gelten. Die Sicherheit der Welt kann nur durch die ganze Welt aufgebaut werden. Die Ideen und Prinzipien der Helsinki-Schlussakte müssen unterstützt und weiter entwickelt werden.

Die Unterstützung für die Menschen im Donbass, die sich die Unabhängigkeit von der zentralen ukrainischen Staatsmacht wünschen, die Unterstützung der russischen Bürger, die sich an illegalen militärischen Formationen auf dem Territorium der Ukraine beteiligen, hat offenbar auch einige wichtige staatliche Aufgaben gelöst. Aber diese Handlungen haben Russland und die Ukraine entzweit und eine ganze Reihe neuer Probleme geschaffen. Die russischen Staatsbürger, die sich an diesem Konflikt beteiligt haben, „sind auf den Geschmack des Krieges gekommen“. Dabei ist das kein gewöhnlicher Krieg, sondern ein Partisanenkrieg. Wie werden sie wieder in das friedliche Leben in Russland eingegliedert werden? Wie kann ein Waffenstrom zurück nach Russland verhindert werden? Wie können sich jetzt die Völker der Ukraine und Russland wieder versöhnen?

Die Hauptmethode, mit der man Meinungsverschiedenheiten überwindet, ist der Dialog. Aber für einen Dialog ist es notwendig, die gegenseitigen Argumente zu hören und zu verstehen. Was im Osten der Ukraine geschieht, wird in Russland als „Bürgerkrieg in der Ukraine“ eingestuft. Und in der Ukraine nennt man diese Ereignisse „Aggressionen Russlands gegen die Ukraine“. Ist Russland bereit, den Bürgern der Ukraine zuzuhören und ehrlich und offen die entstandenen Probleme zu diskutieren?

Der mit den Minsker Vereinbarungen begonnene Prozess der friedlichen Beilegung der Krise im Osten der Ukraine muss unbedingt beibehalten werden, auch für die psychische Erholung des öffentlichen Bewusstseins der russischen Gesellschaft.
Russland muss aus dem Kriegszustand heraustreten, aus allen Kriegen – dem Informationskrieg, dem hybriden Krieg, dem Kalten Krieg.

Das Erzeugen einer Kriegsstimmung in der Gesellschaft, das Kultivieren eines „Feindbildes“ und einer Atmosphäre militärischer Konfrontation, eines ständigen „Ausnahmezustandes“ in allen gesellschaftlichen Bereichen, die Initiierung und Ausbreitung von Gewalt sind extrem gefährlich und unberechenbar.


Herr Präsident! Ich übergebe Ihnen die von Ella Poljakova[1] und mir verfasste Anfrage zu russischen Wehrdienstleistenden.

Danke.

Sergej Krivenko"

Übersetzung: Sabine Erdmann-Kutnevič






[1] Leiterin der „Soldatenmütter St. Petersburg“.