Dienstag, 21. April 2015

Verleihung des Lew-Kopelew-Preises in Köln

Festakt in der Kreissparkasse Köln

Am 19. April wurde in den Räumen der Kreissparkasse Köln der Lew-Kopelew-Preis verliehen. Ausgezeichnet wurden Ruslana Lyzhytschko und Jewgenij Zacharov aus der Ukraine sowie Andrej Makarewitsch und Eduard Uspenskij aus Russland.

Die Laudatio hielt der Präsident des Europäischen Parlamentes Martin Schulz. Er würdigte die Preisträger, die in der Tradition Lew Kopelews stünden. "Genauso wie Lew Kopelew treten sie für das tolerante und friedliche Zusammenleben aller Nationalitäten ein- in der Ukraine wie in Europa.

Dass diese vier beispielhaften Persönlichkeiten, zwei Ukrainer und zwei Russen, heute ausgezeichnet werden, ist eine gute Wahl und ein wichtiges Zeichen der Solidarität und der Ermutigung.

Mit diesem Preis werden auch all jene Menschen geehrt, die sich am 21. November 2013 zur Euromaidan Bewegung zusammenschlossen, um gemeinsam für das Selbstbestimmungsrecht des ukrainischen Volkes einzutreten, für eine freie und demokratische Ukraine.

Die Menschen auf dem Maidan schwenkten die europäische Flaage, die Flagge unserer Wertegemeinschaft, weil sie mit Europa die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte sowie der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbinden. Ich möchte Ruslana Lyschytschko, Andrej Makarewitsch, Jewgenij Zacharow und Eduard Uspenskij ausdrücklich meinen Dank und meinen Respekt aussprechen für den Beitrag, den Sie zur Euromaidan Bewegung geleistet haben. (...)

Unsere vier Preisträger ... zwei Ukrainer und zwei Russen,geben mir Hoffnung, dass eine Aussöhnung zwischen dem ukrainischen und dem russischen Volk möglich ist, und auch die EU und Russland einander wieder gute Nachbarn sein können. Wenn wir beherzigen, was uns der Humanist Lew Kopelew, der sich zeitlebens intensiv für die Völkerverständigung einsetze, mit gab: 'Toleranz, Moral, Menschlichkeit - die Ideale und Träume der deutschen und russischen Aufklärer sind keine wirklichkeitsfremden Utopien. Sie sind Wegweiser für unsere Gegenwart und Zukunft."

 


Nachfolgend dokumentieren wir den Auftritt von Jewgenij Zacharow:

"Ich bin dem Lew Kopelew Forum aufrichtig dankbar! Es ist für mich eine große Ehre, den Preis zu erhalten, der den Namen dieses großes Schriftstellers, Humanisten und Menschenrechtlers trägt. Seine Ansichten und Gedanken sind auch heute außerordentlich aktuell. So denkt man in der Ukraine darüber nach, wie man gegen die verlogene russische Propaganda angehen kann, die ständig das Schwarze für Weiß und umgekehrt erklärt. Und Kopelew sagt: 'Die Lüge kann nur durch die Wahrheit besiegt werden.' Tatsächlich gibt es keine bessere Waffe gegen die Lüge als die Wahrheit.

In seinem Aufsatz: 'Was mich die Geschichte gelehrt hat' scheibt Kopelew: 'Die für mich wichtigste Lektion aus der neuesten Geschichte ist sehr einfach, wenn sie auch keineswegs leicht zu beherzigen ist. Es ist die Lehre der Wahrheit und Toleranz. Ohne sie geht alles Leben auf der Erde zugrunde. Vorbehaltlose Wahrheit und größtmögliche Toleranz, Menschenliebe, die alle Spielarten von Hass und Feindschaft überwinden, sind Voraussetzungen für das Weiterleben der Menschheit.' In der Tat ist Toleranz für die ukrainische Gesellschaft unabdingbar. Ein Teil dieser Gesellschaft hat anscheinend den Verstand verloren und ist der Auffassung, gegen Separatisten und russische Aggressoren sei jedes Mittel recht. Der zunehmende Hass gegenüber den Separatisten, die Freude über das Töten von Kämpfern, die Verbreitung von Fotos mit den Leichen getöteter Feinde in sozialen Netzen – all dies ist der Boden, auf dem Folter und andere Arten von Gewalt entstehen. Auf politischer Ebene führt das zu der irrigen Vorstellung, dass man schwierige Probleme mit einfachen Methoden lösen könnte, indem man Druck auf die Gegner ausübt und Hetzkampagnen gegen sie organisiert. Das Ergebnis ist, dass das Parlament in bester Absicht Gesetze verabschiedet, die man nur als eine Verhöhnung des Rechts bezeichnen kann. Das ist für die Zukunft des Landes sehr gefährlich.

Heute führt die Ukraine Krieg gegen den russischen Aggressor, sie kämpft um ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Aber es kommt darauf an, zu verstehen, dass es sich hier um einen Konflikt von Zivilisationen handelt, dass die Ukraine in diesem Krieg nicht nur sich selbst, sondern die gesamte westliche Welt verteidigt. Der Hass gegen Putin und die imperiale Oberschicht des russischen Staats darf in keinem Fall umschlagen in einen Hass gegen gewöhnliche Russen, gegen die von der Propaganda benebelten Anhänger der Parole „Die Krim ist unser“. Die Ukrainer dürfen auch nicht jene 15 % der russischen Bürger vergessen, die die ukrainische Revolution der Würde unterstützt haben und sich gegen die russische Aggression wenden. Es ist unsere Pflicht, ihnen zu helfen, und die beste Hilfe wird darin bestehen, in unserem eigenen Land erfolgreich zu sein – die Mittelklasse zu fördern, echte, demokratische Reformen voranzutreiben und den Rechtsstaat zu stärken. Denn die Entstehung einer starken, freien und demokratischen Ukraine ist die notwendige Voraussetzung für die Verteidigung und Entwicklung eines freien Russland.

Ich möchte noch sagen, dass mit dieser Auszeichnung die gesamte ukrainische Menschenrechtsgemeinschaft geehrt wird, die 1991, als die Zahl der Menschenrechtler mit einer Hand abzuzählen war, fast von Null an zu einer (für die Ukraine) großen und einflussreichen Gruppe von Organisationen und Menschen angewachsen ist. Ich verstehe diese Auszeichnung als Anerkennung des menschenrechtlichen Geistes des ukrainischen Majdan, als die Ukrainer ein weiteres Mal demonstriert haben, dass für viele von ihnen Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre und Würde mehr bedeuten als das Leben. Es ist eine Anerkennung des gemeinsamen Strebens nach diesen Werten unabhängig von Sprache, ethnischer und religiöser Zugehörigkeit, eine Würdigung des bewundernswerten Phänomens der Freiwilligen-Arbeit – 77 % der Ukrainer unterstützen die Armee, Verwundete und ihre Angehörigen sowie Personen, die ihre Heimatregionen verlassen mussten, und 20 % der Bevölkerung waren aktiv an den Geschehnissen auf dem Majdan und der Freiwilligen-Bewegung beteiligt.

Ich bin stolz darauf, dass ich Ukrainer, dass ich ein Teil meines Volkes bin. Ich danke nochmals dem Lew Kopelew Forum."

 

Jewgenij Zacharow erhält Lew-Kopelew-Preis

Jewgenij Zacharow, der Leiter der Menschenrechtsgruppe Charkiv, die der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL angehört, wird am 19. April mit dem Lew Kopelew Preis ausgezeichnet. Gemeinsam mit ihm wird der Preis der Sängerin Ruslana Lyzhytschko, dem Sänger Andrej Makarewitsch und dem Kinderbuchautor Eduard Uspenskij verliehen.

Sie werden geehrt, weil sie sich für die Wahrung der Menschenrechte, für freie Selbstbestimmung und die Verständigung unter den Völkern einsetzen“, heißt es in der Erklärung des Lew Kopelew Forums. „Dass Russen und Ukrainer Krieg gegeneinander führen, hätte Lew Kopelew das Herz zerrissen. Er wurde in Kiew geboren, ein Russe jüdischer Herkunft, so hat er sich selbst beschrieben. Die Ukraine mit ihrer eigenen Kultur achtete er hoch.

Langjähriger GULAG-Häftling Wladimir Kantowskij verstorben

Am 12. April verstarb in Moskau Wladimir Kantowskij. Er gehörte MEMORIAL seit Gründung an und war bis zuletzt aktiv, in den letzten zehn Jahren gehörte er zum Vorstand des Moskauer MEMORIAL-Verbandes.

1941 wurde er wenige Tage nach Kriegsbeginn inhaftiert, weil er sich mit einigen Freunden öffentlich für seinen verhafteten Lehrer eingesetzt hatte. Aus der Lagerhaft kam er (nach mehrfachem Antrag, an die Front geschickt zu werden) in ein Strafbataillon. Nach dem Krieg wurde er für dasselbe „Verbrechen“ – Beteiligung an einer antisowjetischen Jugendbewegung – erneut verurteilt. 1956 wurde er rehabilitiert und konnte nach Moskau zurückkehren.

Seine Biographie ist in unserem Videoprojekt dokumentiert – einen Interviewauszug mit deutschen Untertiteln finden Sie hier und seinen Lebenslauf hier.

Denkmal für Opfer politischer Verfolgungen in Moskau geplant

Entscheidung über Entwurf soll am 30. Oktober fallen


In Moskau soll ein Denkmal für die Opfer politischer Verfolgungen errichtet werden.

Damit würde ein wesentliches Anliegen erfüllt, mit denen die Gesellschaft MEMORIAL bei ihrer Gründung angetreten war.

Das Mahnmal soll an der Kreuzung des Sacharov-Prospekts und des Gartenrings in Moskau stehen. Präsident Putin hat der Regierung der Stadt Moskau und der Präsidialverwaltung einen entsprechenden Auftrag erteilt.

Sergej Kapkov, Minister der Moskauer Regierung und (bis März d. J.) Leiter der Moskauer Kulturabteilung, betonte, dass es bisher kein nationales Denkmal gebe, das den Opfern politischer Verfolgungen gewidmet sei: „Die Notwendigkeit eines solchen Denkmals ist offensichtlich. Es geht um unser Gedenken an uns selbst. Ein Mahnmal für die Opfer politischer Verfolgungen in Moskau soll nicht nur die Erinnerung an die Tragödie bewahren und vermitteln, sondern es muss auch bewusst machen, dass Terror als Regierungsmethode inakzeptabel ist, dass dem menschlichen Leben der höchste Wert zukommt, dass jeder Einzelne für die Zukunft des Landes Verantwortung trägt.“

Am 12. Februar hat die Ausschreibung für das Denkmal begonnen, am 22. Mai sollen die eingereichten Arbeiten im GULAG-Museum in Moskau vorgestellt werden. Am 30. Oktober, dem Gedenktag für die politisch Verfolgten, soll bekannt gegeben werden, welcher Entwurf den Zuschlag bekommt.