Festakt in der Kreissparkasse Köln
Am 19. April wurde in den Räumen der
Kreissparkasse Köln der Lew-Kopelew-Preis verliehen. Ausgezeichnet
wurden Ruslana Lyzhytschko und Jewgenij Zacharov aus der Ukraine sowie
Andrej Makarewitsch und Eduard Uspenskij aus Russland.
Die Laudatio hielt der Präsident des Europäischen
Parlamentes Martin Schulz. Er würdigte die Preisträger, die in der
Tradition Lew Kopelews stünden. "Genauso wie Lew Kopelew treten sie für
das tolerante und friedliche Zusammenleben aller Nationalitäten ein- in
der Ukraine wie in Europa.
Dass diese vier beispielhaften Persönlichkeiten,
zwei Ukrainer und zwei Russen, heute ausgezeichnet werden, ist eine gute
Wahl und ein wichtiges Zeichen der Solidarität und der Ermutigung.
Mit diesem Preis werden auch all jene Menschen
geehrt, die sich am 21. November 2013 zur Euromaidan Bewegung
zusammenschlossen, um gemeinsam für das Selbstbestimmungsrecht des
ukrainischen Volkes einzutreten, für eine freie und demokratische
Ukraine.
Die Menschen auf dem Maidan schwenkten die
europäische Flaage, die Flagge unserer Wertegemeinschaft, weil sie mit
Europa die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte
sowie der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbinden. Ich möchte
Ruslana Lyschytschko, Andrej Makarewitsch, Jewgenij Zacharow und Eduard
Uspenskij ausdrücklich meinen Dank und meinen Respekt aussprechen für
den Beitrag, den Sie zur Euromaidan Bewegung geleistet haben. (...)
Unsere vier Preisträger ... zwei Ukrainer und zwei
Russen,geben mir Hoffnung, dass eine Aussöhnung zwischen dem
ukrainischen und dem russischen Volk möglich ist, und auch die EU und
Russland einander wieder gute Nachbarn sein können. Wenn wir beherzigen,
was uns der Humanist Lew Kopelew, der sich zeitlebens intensiv für die
Völkerverständigung einsetze, mit gab: 'Toleranz, Moral, Menschlichkeit -
die Ideale und Träume der deutschen und russischen Aufklärer sind keine
wirklichkeitsfremden Utopien. Sie sind Wegweiser für unsere Gegenwart
und Zukunft."
Nachfolgend dokumentieren wir den Auftritt von Jewgenij Zacharow:
"Ich bin dem Lew Kopelew Forum aufrichtig dankbar!
Es ist für mich eine große Ehre, den Preis zu erhalten, der den Namen
dieses großes Schriftstellers, Humanisten und Menschenrechtlers trägt.
Seine Ansichten und Gedanken sind auch heute außerordentlich aktuell. So
denkt man in der Ukraine darüber nach, wie man gegen die verlogene
russische Propaganda angehen kann, die ständig das Schwarze für Weiß und
umgekehrt erklärt. Und Kopelew sagt: 'Die Lüge kann nur durch die
Wahrheit besiegt werden.' Tatsächlich gibt es keine bessere Waffe gegen
die Lüge als die Wahrheit.
In seinem Aufsatz: 'Was mich die Geschichte gelehrt
hat' scheibt Kopelew: 'Die für mich wichtigste Lektion aus der neuesten
Geschichte ist sehr einfach, wenn sie auch keineswegs leicht zu
beherzigen ist. Es ist die Lehre der Wahrheit und Toleranz. Ohne sie
geht alles Leben auf der Erde zugrunde. Vorbehaltlose Wahrheit und
größtmögliche Toleranz, Menschenliebe, die alle Spielarten von Hass und
Feindschaft überwinden, sind Voraussetzungen für das Weiterleben der
Menschheit.' In der Tat ist Toleranz für die ukrainische Gesellschaft
unabdingbar. Ein Teil dieser Gesellschaft hat anscheinend den Verstand
verloren und ist der Auffassung, gegen Separatisten und russische
Aggressoren sei jedes Mittel recht. Der zunehmende Hass gegenüber den
Separatisten, die Freude über das Töten von Kämpfern, die Verbreitung
von Fotos mit den Leichen getöteter Feinde in sozialen Netzen – all dies
ist der Boden, auf dem Folter und andere Arten von Gewalt entstehen.
Auf politischer Ebene führt das zu der irrigen Vorstellung, dass man
schwierige Probleme mit einfachen Methoden lösen könnte, indem man Druck
auf die Gegner ausübt und Hetzkampagnen gegen sie organisiert. Das
Ergebnis ist, dass das Parlament in bester Absicht Gesetze
verabschiedet, die man nur als eine Verhöhnung des Rechts bezeichnen
kann. Das ist für die Zukunft des Landes sehr gefährlich.
Heute führt die Ukraine Krieg gegen den russischen
Aggressor, sie kämpft um ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Aber es kommt
darauf an, zu verstehen, dass es sich hier um einen Konflikt von
Zivilisationen handelt, dass die Ukraine in diesem Krieg nicht nur sich
selbst, sondern die gesamte westliche Welt verteidigt. Der Hass gegen
Putin und die imperiale Oberschicht des russischen Staats darf in keinem
Fall umschlagen in einen Hass gegen gewöhnliche Russen, gegen die von
der Propaganda benebelten Anhänger der Parole „Die Krim ist unser“. Die
Ukrainer dürfen auch nicht jene 15 % der russischen Bürger vergessen,
die die ukrainische Revolution der Würde unterstützt haben und sich
gegen die russische Aggression wenden. Es ist unsere Pflicht, ihnen zu
helfen, und die beste Hilfe wird darin bestehen, in unserem eigenen Land
erfolgreich zu sein – die Mittelklasse zu fördern, echte, demokratische
Reformen voranzutreiben und den Rechtsstaat zu stärken. Denn die
Entstehung einer starken, freien und demokratischen Ukraine ist die
notwendige Voraussetzung für die Verteidigung und Entwicklung eines
freien Russland.
Ich möchte noch sagen, dass mit dieser Auszeichnung
die gesamte ukrainische Menschenrechtsgemeinschaft geehrt wird, die
1991, als die Zahl der Menschenrechtler mit einer Hand abzuzählen war,
fast von Null an zu einer (für die Ukraine) großen und einflussreichen
Gruppe von Organisationen und Menschen angewachsen ist. Ich verstehe
diese Auszeichnung als Anerkennung des menschenrechtlichen Geistes des
ukrainischen Majdan, als die Ukrainer ein weiteres Mal demonstriert
haben, dass für viele von ihnen Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre und Würde
mehr bedeuten als das Leben. Es ist eine Anerkennung des gemeinsamen
Strebens nach diesen Werten unabhängig von Sprache, ethnischer und
religiöser Zugehörigkeit, eine Würdigung des bewundernswerten Phänomens
der Freiwilligen-Arbeit – 77 % der Ukrainer unterstützen die Armee,
Verwundete und ihre Angehörigen sowie Personen, die ihre Heimatregionen
verlassen mussten, und 20 % der Bevölkerung waren aktiv an den
Geschehnissen auf dem Majdan und der Freiwilligen-Bewegung beteiligt.
Ich bin stolz darauf, dass ich Ukrainer, dass ich ein Teil meines Volkes bin. Ich danke nochmals dem Lew Kopelew Forum."
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