Sonntag, 13. März 2016

Putin unterzeichnet Gesetz zur Wahrung des Gedenkens an politische Verfolgungen

Präsident Putin hat am 9. März ein von der russischen Regierung eingebrachtes Gesetz unterzeichnet, das schon bestehende Gesetze (u. a. das Rehabilitierungsgesetz von 1991) um einige Bestimmungen zur Erinnerungspolitik ergänzt.

Staatsorgane auf föderaler und regionaler Ebene sind demnach berechtigt, die Erinnerung an die Opfer politischer Verfolgungen zu fördern und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wenn Massengräber von Opfern politischer Verfolgungen gefunden werden, sollen sie als Teil des Kulturerbes verzeichnet und zu Gedenkstätten gemacht werden.

Außerdem können die Behörden Nichtregierungsorganisationen sowie Bürger unterstützen, die in diesem Bereich tätig sind. Ausdrücklich genannt werden hier die Suche nach Massengräbern Verfolgter, aber auch die Recherche und Bekanntgabe von "Archivdokumenten über die Geschichte der politischen Repressionen" sowie die Durchführung von Ausstellungen zu diesem Thema.

Freitag, 4. März 2016

Kritik an vorgeschlagener Revision des "Agentengesetzes"

Kontroversen um Definition der "politischen Tätigkeit"

Am 19. Februar hat eine Gruppe von Duma-Abgeordneten im Auftrag des Justizministeriums einen Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, der das so genannte „Agentengesetz“ in einer wesentlichen Bestimmung korrigieren und präzisieren soll. Präsident Putin hatte eine entsprechende Revision des Gesetzes mehrfach angekündigt, unter anderem auch auf einer Sitzung des Menschenrechtsrats bei Präsidenten im Oktober 2015.

Es geht um die Definition des Begriffs der „politischen Tätigkeit“. Das ist von Bedeutung, weil NGOs, die ausländische Unterstützung bekommen und „politisch tätig“ im Sinne dieser Definition sind, als so genannte "ausländische Agenten" verzeichnet werden.

Was unter „politischer Tätigkeit“ zu verstehen ist, ist in der geltenden Fassung des Gesetzes nur ungenau festgelegt. Die willkürliche Auslegung, die dazu führte, dass inzwischen etwa 120 NGOs als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt werden, wurde immer wieder angeprangert. Bisher gilt das Bestreben, die bestehende „staatliche Politik“ ändern zu wollen und in diesem Sinne beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, als „politische Tätigkeit“.

Der jetzt eingebrachte Entwurf basiert auf den Anregungen des Justizministeriums. Er läuft darauf hinaus, dass jede Mitwirkung in staatlichen Gremien und Zusammenarbeit mit Behörden als "politisch" gilt:

Eine NGO arbeitet "politisch", „wenn sie im Bereich des Staatsaufbaus und der Grundlagen der Verfassungsordnung, der föderalen Ordnung der Russischen Föderation, der Sicherung der Souveränität und territorialen Integrität der Russischen Föderation…, der Landesverteidigung, Außenpolitik… tätig ist mit dem Ziel, Einfluss auf die Ausarbeitung und Umsetzung der staatlichen Politik, auf die Bildung staatlicher und lokaler Selbstverwaltungsorgane, auf ihre Entscheidungen und Handlungen zu nehmen.“
Es folgt eine lange Auflistung von Formen, in denen diese Tätigkeit ausgeübt wird. Nicht zuletzt werden darunter auch „Wahlbeobachtung“ sowie die „Bildung von Wahlkommissionen“ aufgeführt.

Der Menschenrechtsrat beim Präsidenten und das von Alexej Kudrin geleitete "Komitee für Bürgerinitiativen" haben den Gesetzentwurf massiv kritisiert, beide Institutionen haben detaillierte Änderungsvorschläge vorgelegt. So erklärte der Leiter des Menschenrechtsrats Michail Fedotow, Ziel des Entwurfs sei gewesen, den Begriff der „politische Tätigkeit“ zu präsisieren. Herausgekommen sei jedoch das Gegenteil – der Begriff sei noch ausgeweitet und so umfassend interpretiert worden, dass jede beliebige NGO zum „ausländischen Agenten“ deklariert werden könnte.

Dienstag, 1. März 2016

Die Jugendorganisation von MEMORIAL Perm löst sich auf

Einer der aktivsten MEMORIAL-Verbände, die Jugendorganisation von Perm, wird ihre juristische Existenz beenden. Der Entschluss wurde bereits im November letzten Jahres gefasst. Man will damit einer zwangsweisen Registrierung als „ausländischer Agent“ zuvorkommen.

Die Jugendorganisation war 1998 gegründet worden. Sie verfügte über einen festen Mitarbeiterstab und arbeitete an etlichen langfristigen Projekten.

So organisierte der MEMORIAL-Verband mithilfe von Freiwilligen Unterstützung für Opfer politischer Verfolgungen und ehemalige Lagerhäftlinge. Es gab ein internationales Austausch-Programm - jährlich arbeiteten 50-60 Freiwillige aus Perm in anderen europäischen Ländern, und umgekehrt kamen 30-40 Freiwillige aus dem Ausland nach Perm.

Bis zuletzt wurde die Organisation von ausländischen Stiftungen unterstützt, was nie bestritten wurde, wie Vorstandsmitglied Robert Latypow betont: „Das Jugend-MEMORIAL hatte bis in die letzte Zeit finanzielle Unterstützung aus dem Ausland. Am 31. Januar lief unser letzter Vertrag aus. Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir diese Gelder bekommen.“

Seit 2012 hätten alle Nichtregierungsorganisationen gravierende Probleme, und das nicht nur infolge des „Agentengesetzes“, so Latypovw: „Es geht um eine ganze Reihe von Gesetzen und vor allem auch um die Rechtspraxis. Dies nimmt allen unabhängigen Organisationen, die den Machthabern nicht nahestehen, die Luft zum Atmen.“

Mehrere Projekte werden laut Latypow zwar jetzt eingestellt, andere dagegen sollen von MEMORIAL Perm fortgeführt werden, das keinerlei Finanzierung aus dem Ausland erhält. Auch das Jugend-MEMORIAL "lebt, es beendet nur seine Existenz als juristische Person..... Wir werden weiterleben und weiter arbeiten."